Zum Hauptinhalt springen

Was bedeutet der UNO-Migrationspakt?

Von Michael Ortner

Politik

Was ist der Migrationspakt, warum gibt es ihn und was sagen die Gegner des Abkommens? Ein FAQ.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 6 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Was ist der UNO-Migrationspakt?

Ausgangspunkt war ein Gipfeltreffen der Vereinten Nationen zu Flucht und Migration um September 2016, zu dem der damalige US-Präsident Barack Obama eingeladen hatte. Denn im Gegensatz zur Asyl- und Flüchtlingspolitik, für die es internationale und nationale Regeln und Gesetze gibt, existiert kein entsprechendes Regelwerk für Migration. Es gibt auch keine UN-Organisation wie das UNO-Flüchtlingshochkommissariat.

In einem 18-monatigen Prozess entstand ein Referenzrahmen mit Empfehlungen und Maßnahmen zur Koordination der weltweiten Migration.

Im Juli 2018 hat sich die UNO-Vollversammlung auf den 34-seitigen "Global Compact For Safe, Orderly And Regular Migration" ("Globalen Pakt für sichere, reguläre und geordnete Migration") geeinigt – das erste Mal in ihrer Geschichte konnte sie sich auf einen derartigen Vertrag einigen.

Warum rief man den Pakt ins Leben?

Migration ist neben dem Klimawandel eine der größten globalen Herausforderungen für die Menschheit. 2017 erreichte die weltweite Migration ein neues Höchstmaß: 258 Millionen Menschen verließen ihre Heimatländer. Im Jahr 2000 waren es noch 173 Millionen. Ihre Zahl wird künftig weiter steigen. Allein in Europa stellten die großen Flucht- und Migrationsbewegungen des Jahres 2015 – und der folgenden – enorme Herausforderungen dar.

Die UNO-Staaten kamen deshalb überein, dass jedes Land Verantwortung für Migration übernehmen muss. Das Ziel lautet, die globale Migration sicherer, geordneter und geregelter zu gestalten. Die Zusammenarbeit zwischen den Ländern soll verstärkt werden.

Was beinhaltet der Pakt konkret?

Der Pakt besteht grob gesagt aus 23 Zielen, die recht allgemein gehalten sind. Zu den wichtigsten gehören: Menschen, die ihre Heimatländer verlassen müssen, sollen danach besser geschützt werden. Damit es erst gar nicht dazu kommt, will man die Ursachen in den Ursprungsländern mindern, die zur Migration führen. Außerdem soll auch der Kampf gegen Menschenschmuggel und Schlepperwesen verstärkt werden. Möglichkeiten für eine sichere, geordnete und legale Migration sollen ausgebaut werden. Überdies soll die Kooperation für ein würdevolle und sichere Rückkehr in die Heimatländer gestärkt werden.

Was sagen die Gegner des Abkommens?

Die USA – der größte Geldgeber der UNO - und Ungarn haben sich bereits im Juli aus den Verhandlungen verabschiedet. Der ungarische Außenminister Peter Szijjarto nannte den Pakt "die schlechtestmögliche Antwort, die die UNO auf die Herausforderungen der Migration geben kann". Auch die rechtsgerichtete Regierung in Polen sieht den Pakt kritisch. Er führe zu "illegaler Migration" und es gebe keine "Sicherheitsgarantien für Polen", sagte Innenminister Joachim Brudzinski. In der Schweiz stimmte der Bundesrat zwar dafür, doch Schweizer Abgeordnete kritisierten etwa, dass der Migrationspakt Migration "verherrliche". Der Pakt wolle die Migration "begünstigen" anstatt sie zu regeln. In Deutschland macht die AfD Stimmung gegen das Abkommen. Die Koalition aus SPD und Union plant ein klares Bekenntnis. Der Migrationspakt "bietet - rechtlich unverbindlich - eine Grundlage für Vereinbarungen zwischen Herkunftsländern und Zielländern, damit Migration erst gar nicht entsteht", sagte CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer. Die österreichische Regierung verabschiedete sich Ende Oktober aus dem Abkommen. Mitte November entschlossen sich auch Bulgarien und Tschechien zum Ausstieg. Estlands Regierungschef kündigte ebenso an, auszutreten, doch das estnische Parlament schwenkte um. Am 21. November kündigte auch Australien an, aus dem Pakt auszusteigen, die Slowakei folgte vier Tage später.

Wie steht die österreichische Regierung dazu?

Bundeskanzler Sebastian Kurz und Vizekanzler Heinz-Christian Strache äußerten immer wieder "Vorbehalte" gegen den Migrationspakt. Die Regierung betont, dass sie keine Souveränität abgeben will. Strache spricht sich gegen ein Menschenrecht auf Migration aus. Bis jetzt unterstützten 188 von 193 UNO-Staaten das Abkommen. Ende Oktober fasste die Bundesregierung den Beschluss, sich aus dem globalen Migrationspakt zurückzuziehen.

Aus dem Bundeskanzleramt hieß es im Oktober gegenüber der "Wiener Zeitung": "Wir werden alles tun, um unsere Souveränität aufrechtzuerhalten und bei Migrationsfragen als österreichischer Staat selbst entscheiden."

Daran würde sich jedoch auch mit dem Migrationspakt nichts ändern: "Das souveräne Recht von Staaten bleibt unangetastet", sagt Andrea Götzelmann-Rosado von der Internationalen Organisation für Migration (IOM) in Wien. Zwar gebe es für jeden Menschen das Recht, sein Land verlassen zu dürfen. Es gibt jedoch kein Recht auf Migration, denn jedes Land bestimmt, wer einreisen darf und wer nicht. "Es werden keine nationalen Gesetze in Frage gestellt", sagt Götzelmann-Rosado.

Welche Länder haben Bedenken?

Seit Mitte Oktober haben immer mehr Länder Bedenken angemeldet und noch keine fixe Zusage zum Vertrag abgegeben.

Slowenien: Nach der Abkehr von Österreich und Ungarn will nun auch Slowenien noch einmal seine Unterstützung für den Pakt prüfen. Derzeit wird im Außenministerium das Dokument geprüft.

Polen: Polens nationalkonservative Regierung wird mit aller Wahrscheinlichkeit nicht zustimmen. "Wir sind der Ansicht, dass unsere souveränen Prinzipien absolute Priorität haben", sagte Ministerpräsident Mateusz Morawieck.

Kroatien: In Kroatien hat der UNO-Migrationspakt zu einem Regierungsstreit geführt. Während die Präsidentin Kolinda Grabar Kitarovic relativ überraschend ihre Teilnahme an der Konferenz in Marrakesch absagte, hält die Regierung an dem Globalen Pakt für Migration fest.

Italien: Die rechtspopulistische Lega Nord, der auch Innenminister Matteo Salvini angehört, will Migration generell eindämmen. Ein Statement der Regierung gibt es aber noch nicht. FPÖ-Generalsekretär Harald Vilimsky hat aber angekündigt, Italien zum Ausstieg bewegen zu wollen.

Deutschland: Die rechtspopulistische Alternative für Deutschland (AfD) macht massiv Stimmung gegen den UNO-Vertrag. Die SPD ist dafür, auch die Union plant ein klares Bekenntnis. Auch die Grünen, Linke und FDP verteidigten die geplante rechtlich nicht bindende Übereinkunft im Bundestag.

Schweiz: Die Schweizer Regierung (Bundesrat) möchte das Dokument mit einem Vorbehalt unterzeichnen. Im Raum steht eine Unterzeichnung nicht im Dezember, sondern später. Anfang der Woche hatte die Außenpolitische Kommission des Nationalrates beschlossen, dem Abkommen zuzustimmen.

Was können wir uns von dem Vertrag erwarten?

Beim Migrationspakt handelt es sich um ein "non-legally binding cooperative framework", wie es im UNO-Dokument heißt. Der Vertrag ist kein völkerrechtliches Abkommen, also rechtlich nicht verbindlich und zunächst nur eine Absichtserklärung. Die Staaten verpflichten sich aber moralisch, die Ziele umzusetzen. "Der Pakt ist eher ein Commitment, also ein Bekenntnis dazu, Migration besser steuern zu wollen", sagt Götzelmann-Rosado. Je mehr Staaten den Pakt anwenden, umso besser kann in Zukunft die Migration gesteuert werden.

Neu ist der Fokus auf Migration nicht, bereits in den UNO-Nachhaltigkeitszielen für 2030 wurde festgehalten, eine "sichere, geordnete und reguläre Migration zu gewährleisten". Letztlich appelliert der Vertrag an den Willen der Mitgliedsstaaten, Migration politisch besser zu gestalten.

Wann tritt der Migrationspakt in Kraft?

Der Vertrag soll am 10. und 11. Dezember bei einem Treffen von internationalen Staats- und Regierungschefs in Marrakesch in Marokko offiziell verabschiedet werden.

Update am 27.11.2018

Link:

"Global Compact For Safe, Orderly And Regular Migration"