Der Ruf nach mehr (Verteilungs-)Gerechtigkeit war zuletzt sehr oft zu hören. Von einer staatstragenden Regierungspartei wird dieser Begriff sogar landauf, landab getrommelt, sodass wirklich der Eindruck entsteht, wir würden in einem "ungerechten" Land leben. Meiner Ansicht nach weigern sich nur manche, sich der Realität zu stellen. Das ist nicht jene Form von Verantwortung in der Politik, die ich mir vorstelle. Was aber heißt Gerechtigkeit konkret? Gerechtigkeit bedeutet für mich Leistungsbereitschaft, Eigenverantwortung und Solidarität.
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Die Leistungsbereitschaft vieler Österreicher war und ist die Grundvoraussetzung für Solidarität mit den Schwächeren und den Zusammenhalt in unserem Land. Sie sind diejenigen, die durch ihre Leistung die sozialen Systeme sichern und als Leistungsträger das Fundament unserer Gesellschaft bilden. Die Solidarität leben wir durch eine enorme Umverteilung. Dazu bekennen wir uns auch. Aber das darf nicht dazu führen, dass die Umverteilungsmaschinerie des Staates zu einer Hängematte wird und somit zur Erosion der Leistungsbereitschaft führt.
Es ist daher völlig klar, dass Gerechtigkeit umfassend zu verstehen ist. Das bedeutet, dass der Mittelstand nicht mit weiteren Belastungen konfrontiert werden darf. Das würde nur die Leistungsbereitschaft der Menschen bremsen oder hemmen. Aber Leistung muss sich lohnen! Gerade Österreich mit seinen vielen kleinen und mittleren Unternehmungen und deren hunderttausenden fleißigen Mitarbeitern - den Leistungsträgern als Rückgrat unserer Volkswirtschaft - darf jetzt den Mittelstand nicht durch eine unnötige Steuerdiskussion verunsichern.
Neue Steuern auf hart erarbeitetes - und bereits versteuertes - Vermögen oder Eigentum wäre Gift für die weitere und vor allem nach der Krise so wichtige wirtschaftliche Entwicklung unseres Landes. Diese Mittelstands-Enteignungsphantasien werden wir mit Sicherheit nicht mittragen.
Die Diskussion stimmt mich bedenklich. Denn offenbar sind die Menschen und leider auch viele Politiker leichter für Steuererhöhungen zu erwärmen als für eine längst überfällige Spardebatte. Wir alle wissen, dass wir den Sparstift ansetzen müssen und es im Budgethaushalt Bereiche gibt, in denen Einsparungen möglich sind - ohne Abstriche und Nachteile für die Bürger. Diese Diskussion wurde bisher leider zu wenig geführt. Statt sich mit sich selber zu beschäftigen und detailverliebt in zeitlichen Fahrplänen festzukrallen, sollte sich die Politik mehr mit den Problemen der Menschen beschäftigen.
Reden wir endlich über Jobs, Wirtschaftswachstum, Bildung oder Sicherheit und greifen wir doch auf jene alten Tugenden zurück, die Österreich zu einem Wohlstandsland gemacht haben: Berechenbarkeit, Verlässlichkeit und Sparsamkeit.
Karlheinz Kopf ist Klubobmann der ÖVP. Jeden Freitag lesen Sie hier den Gastkommentar eines Vertreters einer Parlamentspartei.