Ein Drittel der begünstigten Behinderten ohne Job. | Jährlich kommen rund 70 Mio. in den Ausgleichstaxfonds. | Wien . Ein Beinbruch passiert schneller als man denkt. Meist wird einem erst nach einem Unfall bewusst, wie beschwerlich der Alltag mit einer körperlichen Beeinträchtigung ist. Dauerhaft behinderte Menschen haben gelernt, sich zu arrangieren, im privaten Bereich ebenso wie im Berufsleben. Hier stoßen sie jedoch oftmals an Grenzen: Rund 92.300 Personen gelten in Österreich derzeit als begünstigte Behinderte, jedoch nur zwei Drittel von ihnen sind erwerbstätig. Offenbar gibt es viel zu wenig angemessene Arbeitsplätze für behinderte Menschen.
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Als begünstigter Behinderter gilt jemand, der einen Behinderungsgrad von mindestens 50 Prozent aufweist. Das ist etwa der Fall bei Menschen mit starker körperlicher Einschränkung, bei Rollstuhlfahrern, aber beispielsweise auch bei Personen mit Diabetes. Nicht als begünstigt behindert gelten unter anderem Personen, die noch in Ausbildung sind (ausgenommen Lehrlinge) oder Menschen, die älter als 65 sind. Im konkreten Fall ermittelt das Bundessozialamt auf Antrag des Betroffenen den Grad der Behinderung.
Es steht jedem Unternehmen frei, beliebig viele behindertentaugliche Stellen zu schaffen. Unternehmen mit mehr als 25 Mitarbeitern sind jedoch dazu verpflichtet, zumindest einen behinderten Menschen zu beschäftigen. Pro 25 Mitarbeiter ist jeweils eine Stelle zu schaffen (Freie Dienstnehmer und Lehrlinge werden hier übrigens nicht miteingerechnet).
Abhängig vom Grad der Behinderung gibt es die Möglichkeit, bestimmte behinderte "doppelt" zu zählen, so dass bei 50 Mitarbeitern nur eine Stelle geschaffen werden muss. Das ist zum Beispiel bei blinden Personen der Fall.
206 Euro als Ausgleich
Einstellungspflichtig sind mehr als 15.000 Firmen in Österreich. Doch nur etwa 3500 davon kommen dieser Verpflichtung auch nach - die übrigen zahlen stattdessen lieber die so genannte Ausgleichstaxe. Diese beträgt monatlich 206 Euro pro nicht besetzter Stelle. Dieses Geld gelangt über das Bundessozialamt in den Ausgleichstaxfonds, der so mit rund 70 Millionen Euro pro Jahr gespeist wird. Daraus sollen gemäß Behinderteneinstellungsgesetz Aufwendungen zur Förderung der beruflichen Integration Behinderter getätigt werden. Dazu zählt die Unterstützung spezifischer Projekte ebenso wie individuelle Zuwendungen, etwa Lohnkosten- oder Mobilitäszuschüsse für begünstigte Behinderte.
Schutz und Schwelle
Die Begünstigung bedeutet, dass ein erhöhter Kündigungsschutz besteht, und zwar dann, wenn das Dienstverhältnis länger als ein halbes Jahr andauerte. Außerdem ist die Kündigung eines begünstigten Behinderten nur dann gültig, wenn der Behindertenausschuss zustimmt. Dieser in den Landesstellen des Bundessozialamtes ansässige Ausschuss kommt jedoch nicht allzu oft zum Einsatz: 2005 wurden 524 Anträge auf Zustimmung zur Kündigung gestellt.
Der erhöhte Kündigungsschutz wirkt vermutlich für viele Arbeitgeber abschreckend. Doch auch Unsicherheiten dürften eine Rolle spielen. Bei offenen Stellen kämen oft sehr viele Bewerbungen von Nicht Behinderten auf eine Bewerbung eines Behinderten. "Viele Arbeitgeber scheuen dann das vermeintliche Risiko und nehmen eher einen der nicht behinderten Bewerber", erläutert Hedi Schnitzer vom Zivilinvalidenverband. "Es scheint noch immer das Bild zu existieren, dass Behinderte keine gleichwertigen Arbeitnehmer sein können".
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Buchtipp: Handicap 06. Chancengleichheit am Arbeitsplatz. Meisterklasse publishinghouse, Klosterneuburg, September 2006.