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Was bis zur Neuwahl noch umgesetzt werden könnte

Von Werner Reisinger

Politik

Ob mit der ÖVP oder im freien Spiel der Kräfte - Kanzler Kern will weiterarbeiten, auch über den Juni hinaus. Ein Überblick.


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Wien. Eines ist sicher: Politisch gesehen steht erneut eine turbulente Woche bevor. Sebastian Kurz hat keine Zweifel daran gelassen, dass die von ihm plangemäß übernommene ÖVP in Neuwahlen gehen will. Die Oppositionsparteien einigten sich am Montagnachmittag darauf, unter Berücksichtigung einer Fristsetzung bis Ende Juni bereits diese Woche, wahrscheinlich am Mittwoch, gemeinsam im Parlament einen Antrag auf Neuwahlen zu stellen. Kurz und die ÖVP haben angekündigt, den Antrag der Opposition zu unterstützen. Die SPÖ folgte auf den Fuß und sprach sich ebenfalls für Neuwahlen Anfang Oktober aus.

Am Montagmorgen knüpfte SPÖ-Klubchef Andreas Schieder eine mögliche Gesprächsbereitschaft der Kanzlerpartei noch an Bedingungen. Zuerst seien noch ausständige Regierungsvorhaben umzusetzen, hier vermisse er konkrete Vorschläge vonKurz. Schieder nannte im Ö1-"Morgenjournal" am Montag die Minderung der kalten Progression, das Schulautonomiepaket, die Jobaktion 20.000 für ältere Langzeitarbeitslose und die neuen Primärversorgungszentren. Die SPÖ suche aber auch in diesen Punkten nach alternativen Mehrheiten im Parlament.

Schließlich legte Kern am Montagnachmittag dem neuen ÖVP-Chef in einem persönlichen Gespräch eine Liste mit zehn Punkten vor, die er mit der ÖVP umsetzen möchte. Auf der Liste findet sich auch eine Bundesstaatsreform.

Kurz wiederum hat ebenfalls angekündigt, noch nicht implementierte, bereits ausverhandelte Regierungsvorhaben noch vor den Neuwahlen umsetzen zu wollen. Kanzler Kern führt allerdings auch mit den Oppositionsparteien Gespräche, die ihrerseits Projekte im parlamentarischen freien Spiel der Kräfte durchbringen wollen. Nach wie vor ist das freie Kräftespiel für Kern eine attraktive, gangbare Variante: Mit der Opposition von der ÖVP ungeliebte Änderungen durchzusetzen ist auch Teil des bereits laufenden Wahlkampfs. Zudem sei das Gespräch Kern-Kurz am Montagnachmittag alles andere als erbaulich verlaufen, heißt es unter vorgehaltener Hand von beiden Seiten.

Was also könnte bis zum Neuwahltermin noch passieren?

Aktion 20.000 und Beschäftigungsbonus 

Zentral für die SPÖ und Christian Kern ist vor allem die Beschäftigungsaktion für ältere Langzeitarbeitslose. 20.000 Jobsuchende über 50 sollen in Gemeinden und gemeinnützigen Unternehmen wieder Arbeit finden. Vom Wirtschaftsministerium aber wurde ein Implementierungsschritt des eigentlich startklaren Projekts Ende vergangener Woche auf Eis gelegt - sehr zum Missfallen von Kern, ist doch das Projekt eines der wichtigsten Vorhaben seines "Plan A". Finanzminister Hans Jörg Schelling bremste zuletzt wegen offener Finanzierungsfragen.

Beim Beschäftigungsbonus drängen die Sozialpartner auf eine gemeinsame Lösung von SPÖ und ÖVP, beim Thema Arbeitszeitflexibilisierung wollen sie hingegen weiter verhandeln. Auch in der laufenden Woche sind entsprechende Treffen geplant.

Mindestlohn und kalte Progression 

Beim Mindestlohn von 1500 Euro brutto für Vollzeitkräfte sieht es laut Sozialpartnern bereits gut aus: Arbeiterkammer, Gewerkschaften, Landwirtschafts- und Wirtschaftskammer verhandeln, so sagen sie, nur mehr über den Zeitpunkt der Einführung und über Übergangsfristen.

Ein Ende oder eine Verringerung der kalten Progression ist beiden Regierungsparteien ein wichtiges Anliegen - ihre Umsetzung ist aber fraglich, schließlich liegen hier die grundsätzlichen Vorstellungen recht weit auseinander.

Unterstützung bei der Umsetzung könnte sich Kern bei Neos-Chef Matthias Strolz holen. Die Abschaffung der kalten Progression steht auch auf Strolz’ 13-Punkte-Liste, die er mit Kern umsetzen möchte.

Bildungsreform und 2. Kindergartenjahr 

Die Bildungsreform wiederum ist ein "Herzensanliegen" der grünen Parteichefin Eva Glawischnig. In persönlichen Gesprächen mit dem Kanzler sei man diesbezügliche bereits übereingekommen, so Glawischnig. Kern teile die grüne Position und wolle deren Unterstützung bei der Umsetzung annehmen. Das Herzstück der Reform, das Schulautonomiepaket von Bildungsministerin Sonja Hammerschmid, sei so gut wie fertig verhandelt. Noch sei man aber noch nicht ganz durch, sagte zuletzt Paul Kimberger, Chef der Lehrergewerkschaft. Elternvertreter und viele Lehrer laufen vor allem gegen die geplanten Schulcluster Sturm - mehrere Standorte sollen künftig von einem Direktor geleitet werden.

Forschungsprämie und Primärversorgungszentren 

Jahrelang lief die Ärztekammer gegen den Ausbau der Primärversorgung und die Einführung von "Primary Healthcare Center" (PHC) Sturm, jetzt befindet sich das Gesetz in Begutachtung. Für die SPÖ sind dessen Umsetzung wie auch eine Umsetzung bei der Forschungsprämie bis zum Sommer unbedingt notwendig - oder auch danach, denn Christian Kern will den Sommer über durcharbeiten. "Es gibt keine Ferien", sagte der Kanzler am Montag.

Misstrauensantrag gegen Innenminister Sobotka 

Dass die Grünen einen - schon länger geplanten - Misstrauensantrag gegen den Innenminister Wolfgang Sobotka einbringen werden, bekräftigte Glawischnig abermals am Montag. Wann genau, steht allerdings noch nicht fest, wahrscheinlich aber innerhalb der nächsten Tage. Spannend dabei ist die Frage, ob die SPÖ, die in Sobotka den Hauptstörenfried der Achse Mitterlehner-Kern sieht, beim Misstrauensantrag mitziehen wird. Ausschlaggebend wird sein, ob und wenn ja, in welcher Form Kern und Kurz sich doch noch auf die Realisierung von Regierungsprogrammpunkten einigen. Der grüne Misstrauensantrag ist so also auch ein Test des Kanzlers.

Ökostromnovelle und Homo-Ehe 

Grün-rote Übereinstimmung gibt es auch bei der de facto fertig ausverhandelten Ökostromnovelle, die die Grünen in Kerns freiem Kräftespiel unbedingt durchbringen wollen. Einer Öffnung der Ehe für homosexuelle Paare, die die ÖVP jahrelang blockierte und die die SPÖ nun durchsetzen will, würde sich Glawischnig "zu 100 Prozent" anschließen. Die Neos lehnten die Homo-Ehe in der Vergangenheit ab, inzwischen stehen sie einer "Ehe für alle" offen gegenüber.

Reform der Gewerbeordnung 

Die Reform der Gewerbeordnung hat bereits den Wirtschaftsausschuss passiert, SPÖ und ÖVP könnten sie rasch beschließen. Sollte die ÖVP nun doch nicht mitwollen, könnte sich Kern auch damit an die Opposition wenden. Das dürfte für den Kanzler allerdings schwierig werden: Die Grünen kündigen Ablehnung an, die FPÖ hat sich im Wirtschaftsausschuss ebenfalls verweigert. Würde es Kern dennoch schaffen, die Reform mithilfe der Opposition zu verabschieden, könnte ihm dies allerdings eine Retourkutsche einbringen: Auch gegen die Pflichtbeiträge der Arbeiterkammer würde sich wohl eine rechte Mehrheit im Parlament finden.