VOR-neu keineswegs so einfach, transparent und übersichtlich, wie es scheint.|Hyperinnovativ, aber jede Menge Tücken und Fallen.|Vorlaufzeit von einem Monat für Pendler viel zu kurz.|Gravierende Unstimmigkeiten machen Verschiebung dringlich.
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Das Tarifsystem des VOR-neu erscheint auf den ersten Blick einfacher, weil man sich nie um Zonen kümmern muss, sondern nur Abfahrtsort und Ziel anzugeben braucht (das war allerdings beim Kauf von Einzelfahrkarten am Schalter oder Fahrkartenautomaten bisher auch schon so). Bei genauem Hinsehen werden allerdings jede Menge Tücken und Fallen erkennbar.
Das Tarifsystem des VOR-neu ist zum Glück kein Streckentarif (außer bei Einzelfahrten wie bisher), wie es vom VOR-Management präsentiert wurde. Das wäre ein großer Rückschritt und würde eine extreme Verteuerung nach sich ziehen.
Wählt man im VOR-neu eine Strecke, erhält man dazu ein "persönliches Netz" entlang der gewählten Strecke. Dieses "persönliche Netz" kann man aber nur am Computer oder Smartphone ablesen, denn einen gedruckten Plan mit fixen Zonen gibt es ja nicht mehr. Das ist zwar hyperinnovativ, hat aber auch seine Nachteile. Wer weder Computer noch Smartphone hat oder im Umgang damit nicht sehr versiert ist, weiß nicht, welches Netz ihm zur Verfügung steht.
Es besteht auch die Möglichkeit, maximal zwei Zwischenziele festzulegen, die aber nicht auf der Strecke liegen müssen. Auf diese Weise kann man das persönliche Netz preisgünstig erweitern. So weit, so gut.
REIHE GRAVIERENDER UNSTIMMIGKEITEN
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Die derzeitige Realisierung weist aber eine Reihe von gravierenden Unstimmigkeiten auf. So liefert die Eingabe zweier Zwischenziele in umgekehrter Reihenfolge in vielen Fällen dasselbe Netz zu unterschiedlichen Preisen.
Für die Strecke Wiener Neustadt - Wien Kernzonengrenze (KZG) gibt es fünf Varianten (abhängig von der gewählten KZG-Haltestelle), die alle gleich viel kosten, aber unterschiedlich große persönliche Netze bieten; nur ein einziges Netz umfasst alle anderen. In manchen Fällen führt die Eingabe eines Zwischenziels nicht nur zu einer Netzerweiterung, sondern sogar zu einer Verbilligung!
Wer ohne Vorbereitung beim Busfahrer eine Monatskarte kauft oder am ÖBB-Schalter eine Jahreskarte bestellt, wird in den meisten Fällen nicht zu seinem optimalen Netz kommen.
PREISGESTALTUNG
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Bei der Preisgestaltung wurde offenbar peinlichst danach getrachtet, die Preise verglichen mit den Zonenpreisen gleich oder niedriger zu halten, um einen Volksaufstand zu vermeiden. Teurer wird es auf jeden Fall für all jene, die bisher von den (künftig entfallenden) Überlappungsbereichen, insbesondere in die Kernzone hinein, profitierten, denn für die Kernzone muss künftig immer extra bezahlt werden. Bei Zeitkarten (Wochen-, Monats-, Jahreskarten) gibt es allerdings einen ermäßigten Kernzonentarif, falls nur Bahn oder Regionalbusse innerhalb der Kernzone benützt werden. Bei Einzelfahrausweisen muss immer der volle Preis für die Kernzone dazugebucht werden - sofern nicht eine Zeitkarte für die Kernzone vorhanden ist.
Die Einführung von "Halbzonen-Preisen" für sehr kurze Strecken mildert den Wegfall der Überlappungsbereiche zwar in manchen Fällen ab, kann ihn aber nicht wettmachen. Der niedrigste Einzelfahrtspreis ist künftig 1,70, nächste Preisstufe ist wie bisher 2,20; es gibt auch weitere Zwischenstufen wie 3,30 und 5,50.
Wien Liesing - Baden (bisher 2 Zonen) wird dadurch billiger (3,30), während Wien Liesing - Wr. Neustadt (4Z) preislich gleich bleibt (gegenüber B-Zonen), letztere Relation jedoch hinkünftig inklusive Stadtverkehr.
Lange Strecken innerhalb des VOR-alt-Verbundraumes werden wegen Wegfalls der 8-Zonen-Regel auf jeden Fall teurer. Auch die günstige Wochenkarte für Ausflüge um 39,60 € für den gesamten VOR-alt-Außenbereich wird demnächst Geschichte sein.
NEU: Seniorentarif
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Wie schon im VVNB (und in allen anderen österr. Verbünden) gibt es auch im VOR-neu einen eigenen Seniorentarif. Mit VorteilsCard Senior sollten bimodale Fahrten (Bahn plus Bus) wegen der Durchtarifierung (nur mehr ein Ticket für die gesamte Fahrt) generell billiger werden. Werden ausschließlich die Bahn oder ausschließlich Busse benützt, wird die Fahrt ein wenig teurer, weil der VOR-Seniorentarif nur ca. 40% Ermäßigung bietet. Für Kinder bleibt die 50%ige Ermäßigung.
Für Inhaber einer VorteilsCard Classic ändert sich nichts: Ermäßigung bei der Bahn, aber nicht beim Bus, sodass bei Benützung beider Verkehrsmittel der Verbundvollpreis in der Regel der günstigere ist.
STADTVERKEHRE: Positives und Negatives
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Absolut höchster Preis für eine Strecke ist offenbar 34,60 (Einzel) / 88,00 (Wochenkarte) / 250,00 (Monatskarte) - jeweils ohne Kernzone. Das betrifft z.B. die Strecke Gmünd - Güssing; und egal, welche weit entfernten Zwischenziele man hinzufügt: der Preis bleibt gleich, auch mit den beiden zusätzlichen Zwischenzielen Semmering und Bernhardsthal.
Ein großes Plus ist, dass Stadtverkehre (Amstetten, St. Pölten, Wr. Neustadt u.a.) bei Zeitkarten künftig immer inkludiert sind, sogar wenn sie auf der Strecke liegen. Die Zeit des Abkassierens im VVNB, wo sogar ausschließliche Bahnbenützer einen Aufpreis für den Stadtverkehr zu zahlen hatten, wenn sie z.B. in Wr. Neustadt von einer Bahnlinie auf eine andere umsteigen mussten, ist somit vorbei.
Die ominöse 365 €-Preisgrenze für Jahreskarten wurde eingehalten - aber anders herum: Keine Jahreskarte darf billiger sein. Stadtverkehre in Amstetten, Hollabrunn, Krems, St. Pölten und Wr. Neustadt werden dadurch zwar minimal (3 bis 13 €) billiger, in Zwettl aber um 115 € teurer. Und die Jahreskarten für Perchtoldsdorf und Klosterneuburg kosten detto 365 €. Wo ist die gelobte Preisgerechtigkeit?
FEHLENDE PREIS-TRANSPARENZ
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In Zonentarifsystemen ist die Preisberechnung völlig transparent und nachvollziehbar. Der VOR-neu öffnet Tür und Tor für Willkür in der Preisgestaltung. Auffällig ist, dass manche Strecken mit bestimmten Zwischenzielen unverhältnismäßig teuer sind. Das kann man derzeit nur "gefühlsmäßig" konstatieren. Wer wacht über die objektiven Kriterien der Preisgestaltung?
Von einfacher, transparenter, übersichtlicher und gerechter, wie die Arbeiterkammer in einer ersten Aussendung urteilte, kann daher keine Rede sein. Das Tarifsystem des VOR-neu hat vielfach Glücksspiel-Charakter.
NACHTEILIGE NEBENEFFEKTE
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Den wegfallenden Entwertern im Außenbereich wird an sich niemand nachweinen. Aber dadurch kann die 8-Tage-Klimakarte bei Fahrten vom Außenbereich in die Kernzone de facto nicht mehr benützt werden. Grund: weil sie vor Fahrtantritt nicht entwertet werden kann. Ein Nachteil für alle Nicht-Wiener. Wegen des Einzelfahrt-Aufpreises für die Kernzone wird es daher auf jeden Fall teurer. Ob sich die 8-Tage-Klimakarte dann für zusätzliche Fahrten in Wien noch rentiert, ist mehr als fraglich. Umgehen kann man die Extramaut nur, indem man an der Kernzonen-Grenze aussteigt, entwertet und dann mit dem nächsten Zug weiterfährt - sofern der Zug dort überhaupt hält.
Dass die endlich eingeführten Tageskarten nur für mehrmalige Fahrten auf der Strecke, nicht aber (wie in allen anderen Verbünden) im "persönlichen Netz" genützt werden können, ist nicht einzusehen aufgrund des generell hohen Preisniveaus im Öffentlichern Verkehr sowie aufgrund des Umstandes, dass der Preis einer Tagskarte ca. 60% einer Wochenkarte ausmacht. Dass Wochenkarten und Monatskarten im VOR weiterhin nur für Kalenderwoche und -monat ausgegeben werden, ist kleinkariert.
UNSICHERHEITEN in DER SCHÖNEN NEUEN WELT des VOR
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Da die Tarifinformation nur online auf eine konkrete Abfrage hin verfügbar ist, gibt es keinen verbindlichen Stand (Version). Wer garantiert, dass am nächsten Tag auf dem PC noch dasselbe "persönliche Netz" angezeigt wird? Wenn es aufgrund einer Korrektur von heute auf morgen reduziert wird, wird man plötzlich zum (unfreiwilligen) Schwarzfahrer.
Auch gegenüber überforderten Schaffnern und Busfahrern wird man es als Fahrgast nicht leicht haben, glaubhaft zu machen, dass der Fahrausweis wirklich dort gilt, wo man fährt, denn aufgedruckt ist ja nur eine Strecke. Den Ausdruck mit der Auflistung aller Haltestellen und Linien seines "persönlichen Netzes" immer dabei zu haben, empfiehlt sich nicht wirklich (ca. 20 - 50 Seiten und auch mehr!) - besser eine Online-Kopie im Notebook oder Smartphone.
Ob man an den ÖBB-Fahrkartenautomaten sämtliche Relationen erhalten wird, ist sehr unwahrscheinlich. Einerseits wird der Datenspeicher nicht alle Haltestellen aufnehmen können (so wie jetzt auch schon). Außerdem kennt die Eingabemaske derzeit nur ein "über", und da im VOR-neu zwei beliebige Zwischenziele möglich sind, wird das wohl eine ärgerliche Einschränkung bedeuten. Hauptleidtragende sind wieder die Bewohner der Region (wo es immer weniger Bahnschalter gibt), denen auch schon im VOR-alt der Erwerb von Zeitkarten mit B-Zonen an den ÖBB-Fahrkartenautomaten verweigert wurde. Abhilfe wäre der Verkauf von Verbundfahrausweisen in Trafiken.
CHANCE VERTAN
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Es wurde eine große Chance vertan. Wünschenswert wäre ein Tarifsystem, in dem das Verbundgebiet großflächig entlang der Verkehrsachsen in Quadranten unterteilt wird, bei dem man Nachbarquadranten günstig dazuerwerben kann. Etwas mehr Großzügigkeit würde das Tarifsystem tatsächlich vereinfachen, der Geltungsbereich wäre auf einen Blick erkennbar und zudem würde ein echter Anreiz geschaffen, den ÖV nicht nur auf dem Weg zur Arbeit zu nützen.
Die Kernzone ist künftig tarifmäßig völlig entkoppelt. Das ist abgesehen vom Wegfall der Überlappungsbereiche (was aber trotzdem keineswegs zwingend wäre) begrüßenswert, weil Millionenstadt und Region nicht über denselben Kamm geschoren werden können.
ZU KURZE VORLAUFZEIT
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Einerseits ist die Vorlaufzeit von einem Monat von der Ankündigung bis zum Start viel zu kurz, damit sich alle darauf vorbereiten können. Darüber hinaus ist das Tarifsystem derzeit noch nicht ausgereift, wie sich bei der Ermittlung von Strecken und den zughörigen "persönlichen Netzen" gezeigt hat.
Zur Bereinigung der Unstimmigkeiten erscheint es daher dringlich geboten, den Start um einige Monate zu verschieben.
Über den AUTOR:
Der Autor war seinerzeit im Verein "Fahrgast" aktiv und war auch Mitbegründer des Verkehrsclub Österreich (VCÖ). Der Artikel gibt die persönliche Meinung des Autors wieder.