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Was Chomsky, Vidal und Schumpeter mit der FPÖ zu tun haben

Von Walter Hämmerle

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Die Freiheitlichen haben einen Lauf. Das ist vorrangig das Verdienst der anderen. Trotzdem ist die Republik in Aufruhr.


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Befragt, woher er die Motivation nehme, sich die Mühen eines Lebens als widerspenstiger politischer Intellektueller anzutun, antwortete der kämpferische Linke Noam Chomsky: "Morgens in den Spiegel zu schauen, ohne entsetzt zu sein." Der nicht minder streitlustige US-Schriftsteller und Lebenskünstler Gore Vidal konterte: "Für mich geht es eher darum, morgens aus dem Fenster zu schauen, ohne entsetzt zu sein."

Es gibt schlechtere Antriebskräfte für politisches Engagement als Moral und Ethik. Und das Geplänkel der beiden Kapazunder liefert dank der Schlagfertigkeit Gore Vidals ein womöglich unbeabsichtigtes Beispiel für den Unterschied zwischen Gesinnungs- und Verantwortungsethik, den Immanuel Kant herausgearbeitet hat. Wobei sich im Vorhinein selten sagen lässt, welche Strategie am Ende von der Geschichte auf den Thron gehoben wird.

Nun hat es sich ergeben, dass die hartnäckige Arbeit der österreichischen Bundesregierung laut den Meinungsforschern von Unique research zu folgender aktueller Stimmungslage geführt hat: 31, 23, 22, 13 und 7 für FPÖ, ÖVP, SPÖ, Grüne und Neos. Womit die Kurve von Kant, Vidal und Chomsky zur FPÖ geschafft ist.

Nun ist es tatsächlich eine der besseren Fragen in einer an guten Fragen armen Politiklandschaft, weshalb eine relative Mehrheit offensichtlich wild entschlossen ist, eine Partei zu wählen, von der sie sich erklärtermaßen überhaupt keine Lösung der Probleme erwartet. Doch die Antworten darauf müssten zwangsläufig ins politische Unterbewusste einer gefühlten Nation vordringen. Leichter ist es da schon, sich mit den Konsequenzen eines solchen Szenarios aus Sicht der anderen Parteien zu beschäftigen.

Rein arithmetisch spricht auf absehbare Zeit nichts für die akute Schnappatmung besorgter Zeitgenossen: Wenn der politische Wille gegeben ist und die Rahmenbedingungen unverändert bleiben, können die übrigen Parteien diese eine noch lange von jeglicher konkreter Regierungsbeteiligung ausschließen. Dass die stimmenstärkste Partei ein irgendwie moralisches Anrecht auf den Bundeskanzler habe, behauptet immer nur der jeweils Stärkste. Geschrieben steht das in der Verfassung nirgendwo.

Das geht aber nur so lange gut, wie auch eine stabile absolute Mehrheit der Wähler mit der Verbannung der relativ größten Partei in die Opposition einverstanden ist. Und keine der übrigen Parteien Grund zu der Befürchtung hat, eben diese Strategie führe zu ihrer eigenen Marginalisierung. Wie schnell es dann gehen kann, hat kürzlich erst Hans Niessl für das Burgenland vorexerziert. Es gibt wenig belastbare Argumente, warum andere Parteien anders handeln sollten, wenn es um die eigene Zukunft geht.

Der Österreicher Joseph Schumpeter hat die schöpferische Zerstörung beschrieben, die Marktwirtschaft und freiem Unternehmertum innewohnt. In Analogie dazu müssen die Gegner der FPÖ womöglich auf das zerstörerische Potenzial einer Regierungsbeteiligung setzen, die alle Parteien erfasst, die vor allem heiße Luft absondern. Die übrigen Parteien sollten sich, was ihr eigenes Comeback angeht, nicht zu sicher sein. Womöglich gilt Schumpeters Prinzip ja auch für die Wettbewerbsdemokratie.