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Was darf das Volk wissen?

Von Bernhard Baumgartner

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In Deutschland wird gerade an einem Grundsatzurteil gebastelt, dessen Bedeutung weite Kreise ziehen dürfte. Es geht dabei um die Frage, was die Öffentlichkeit aus dem Gerichtsaal erfahren darf. Der Anlassfall ist der Vergewaltigungsprozess gegen TV-Moderator Jörg Kachelmann. Dieser wurde letztlich nach 43 Verhandlungstagen freigesprochen. Bis dahin allerdings wurden im Verfahren immer wieder sexuellen Details bekannt, die die Boulevardmedien weidlich ausschlachteten. Nichts lässt sich besser verkaufen als schmutzige Details aus einem Promi-Schlafzimmer - noch dazu aus der sicheren Quelle eines Prozesses.

Das Urteil soll nun klären, ob diese Vorgangsweise rechtens war oder ob die Journalisten hätten prüfen müssen, ob sie mit der Veröffentlichung die Privatsphäre des Angeklagten verletzen. Sieht das Gericht das so, könnte das die Gerichtsberichterstattung massiv verändern und dazu führen, dass manche Dinge zwar erörtert werden (und man sie als Zuseher im Saal zwar erfahren könnte), die Öffentlichkeit aber nicht informiert wird.

Das ist nicht unheikel. Schließlich kann das Öffentlichkeitsrecht auch eine Gewähr für den Angeklagten sein, dass keine Prozesse im stillen Kämmerchen geführt werden, deren Urteile der Öffentlichkeit nicht bekannt werden. Davon, wie wichtig öffentlicher Druck in einem Verfahren sein kann, können die österreichischen Tierschützer wohl ein Lied singen. Dass das Wiener Landesgericht kürzlich durch die Hintertüre die Live-Ticker-Berichterstattung im Haus verbieten wollte, zeigt, wie umstritten das Thema auch hierzulande ist.