Nächste Woche tagt in Wien die CTBTO, die Nukleartests und Erdbeben am schnellsten registriert.
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Wien. Das Kürzel CTBTO bedeutet "Comprehensive Nuclear-Test-Ban Treaty Organization". Dieser Organisation geht es um die Einhaltung des Vertrags über das umfassende Verbot von Atomversuchen, sobald dieser in Kraft tritt. Das kann aber erst geschehen, wenn die Atomstaaten Indien, Pakistan und Nordkorea ihn unterschrieben haben. Bis dahin agiert eine in Wien ansässige Vorbereitungskommission, die vor allem das Internationale Überwachungssystem (International Monitoring System, IMS) und das Internationale Datenzentrum (International Data Centre, IDC) aufbaut und betreibt sowie spätere Vor-Ort-Inspektionen (On-Site Inspections, OSI) vorbereitet.
Als Nordkorea am 12. Februar 2013 zugab, gerade einen Atomtest durchgeführt zu haben, hatte dies die CTBTO dank der Signale von 94 seismischen Überwachungsstationen und zwei Infraschall-Kontrollstellen ihres Netzwerkes bereits bemerkt und ihre 183 Mitgliedsländer alarmiert.
Drei Tage später, am 15. Februar 2013, schlug bei Tscheljabinsk in Russland ein Meteor ein. Das Netzwerk, das weltweit als einziges seiner Art auch Infraschall aufspüren kann, dokumentierte die Schockwelle, die von dem explodierenden Feuerball ausging. Diese Daten haben den Wissenschaftern geholfen, den Meteoreinschlag zu lokalisieren sowie die Höhe und das Ausmaß der Energiefreisetzung zu messen.
Natürlich konnte die CTBTO auch im März 2011, als das japanische Fukushima von einer Nuklearkatastrophe heimgesucht wurde, exakte Angaben zur Radioaktivität in Japan und dessen Umgebung machen, was den Sicherheitsorganen half, die richtigen Maßnahmen zu setzen.
"Es ist das einzige globale Netzwerk, das atmosphärische Radioaktivität und für den Menschen unhörbare Schallwellen entdeckt", sagt Lassina Zerbo aus Burkina Faso, Leiter des Wiener CTBTO-Büros. "Manche vergleichen das System mit einer Kombination von einem gigantischen Erdstethoskop mit Nase, das nach planetarischen Unregelmäßigkeiten Ausschau hält und dabei horcht, fühlt und schnüffelt."
Der Ausbau des Netzwerkes hat vor 18 Jahren begonnen. Diesem globalen Ohr entgeht praktisch nichts - ob nukleare Tests, Vulkanausbrüche, Erdbeben oder Meteore. Mit seinen derzeit elf Horchposten unter Wasser registriert es nicht nur nahende Beben, sondern liefert es auch Hinweise auf berstende Eisberge oder auf die Wanderung von Walen.
Das ganze Netzwerk besteht momentan aus etwa 300 Stationen, die sich zum Teil in den entlegensten und unzugänglichsten Regionen der Erde befinden. Vier Arten von Daten werden dort gesammelt: seismische, hydroakustische, Infraschall und zur Radioaktivität. Das Netzwerk ist bereits zu 90 Prozent fertig, ganz ausgebaut soll es 337 Stationen umfassen und praktisch jeden Winkel des Planeten erfassen können. Derzeit landen täglich rund 15 Gigabyte an Daten im Kontrollzentrum in Wien.
Daten für die Wissenschaft
Sowohl Forscher als auch wissenschaftliche Einrichtungen wie Universitäten, aber auch Regierungen und Nichtregierungsorganisationen haben inzwischen erkannt, dass die von diesem Netzwerk gesammelten Daten sehr nützlich und vorteilhaft sein können. Das beginnt bei Tsunami-Frühwarnungen und verbesserten Wettervorhersagen. Man gewinnt Einblick in den Verlauf von Vulkaneruptionen, kann Luftfahrt und Piloten vor gefährlicher Vulkanasche warnen. Nicht zuletzt dienen die Informationen der Forschung zum Klimawandel und dessen Auswirkungen auf die Schifffahrt.
Die CTBTO gibt auf einer virtuellen Plattform Wissenschaftern aus vielen unterschiedlichen Disziplinen Zugang zu diesen Daten. Alle zwei Jahre veranstaltet die Organisation in Wien eine wissenschaftliche und technische Konferenz. Dieses Jahr werden von 22. bis 26. Juni etwa 1000 Wissenschafter in der Wiener Hofburg erwartet, um dort Erfahrungen auszutauschen. Vielleicht wird dabei auch über den Flug MH370 der Malaysia Airlines debattiert - ein Rätsel, für dessen Lösung auch das große Ohr der CTBTO bisher nicht reichte.