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Was das Strafrecht tatsächlich leisten muss

Von Matthias Strolz

Gastkommentare
Matthias Strolz ist Klubobmann der Neos. Jeden Dienstag lesen Sie an dieser Stelle den Kommentar eines Vertreters einer Parlamentspartei.

Wenn es der Regierung mit dem Opferschutz wirklich ernst ist, dann kann es ihr nicht nur um Strafhöhen gehen.


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Diese Woche ist es so weit: Die "Task Force Strafrecht" wird ihre Arbeit unter Leitung von Karoline Edtstadler - Staatssekretärin im Innenministerium (sic!) - aufnehmen. Das Ergebnis einer Evaluierung der gerade erst in Umsetzung befindlichen, letzten Strafrechtsreform wird allerdings schon vorweggenommen: "weitere Strafverschärfung bei Gewalt- und Sexualdelikten". Evaluieren, obwohl man das Ergebnis schon weiß - das lässt das ganze Vorhaben schon in ein schiefes Licht rücken.

Begründet wird diese Vorgehensweise mit dem Opferschutz. Viele Opfer würden nicht verstehen, warum so niedrige Strafen ausgesprochen werden. Deswegen wurden die Strafrahmen auch schon von der letzten Regierung erhöht. Es gehe, so Staatssekretärin Edtstadler, um das "natürliche Rechtsempfinden" der Menschen. Und es gehe ihr um den "sozialen Frieden", dessen Schwinden offenbar über Postings auf Sozialen Medien deutlich werde.

Diese schwarz-blaue Begleitmusik für eine Strafrechtsreform ist eine gefährliche Entwicklung, die auf einer inhaltlichen Ebene nicht zuletzt von Richtern als "plakative Maßnahme" beziehungsweise als "unvernünftig" bezeichnet wurde. Natürlich ist es grundsätzlich zu begrüßen, wenn die Regierung sich der Bekämpfung von Gewalt- und Sexualkriminalität verschreiben will. Nur die Strafrahmen anzuheben, wird aber zu kurz greifen. Das ist das Schielen auf billigen Applaus, fragwürdiges Law-and-Order-Marketing. Denn es gibt unter Expertinnen und Experten einen breiten Konsens: Nicht höhere Strafen wirken generalpräventiv, sondern eine höhere Aufklärungsquote. Es ist den Opfern vor allem wichtig, dass bestraft wird. Und das geht vor allem über gute Aufklärungsarbeit.

Ein noch besseres Funktionieren der Strafverfolgung kann nur gelingen, wenn im Bereich Justiz nicht eingespart wird. Dafür fehlt noch das klare Bekenntnis. Auch der Polizeibereich muss effizienter werden: Dass Polizistinnen und Polizisten, die für den Einsatz auf der Straße ausgebildet wurden, für Büroarbeit eingesetzt werden, muss hinterfragt werden. Und nicht zuletzt geht es um einen echten Opferschutz, der auch vor Gericht beachtet werden muss: Dazu müssen zunächst alle Justiz-Akteure sensibilisiert werden. Diese müssen im Umgang mit den Opfern entsprechend geschult werden. Dann geht es weiter zu einer schonenden Einvernahme nicht in unmittelbarer Gegenwart des Täters, über die Möglichkeit für Opfer, nicht den Haupteingang nehmen zu müssen, bis hin zu einer Vorleistung des erwartbaren Schadenersatzes durch den Staat, der sich dann am Täter regressiert.

Zuletzt gilt: Im Falle der Strafhöhe muss man den Richterinnen und Richtern zutrauen, ein angemessenes, dem Einzelfall entsprechendes Urteil fällen zu können. Ja, es gibt viel zu tun - wir müssen nur an den richtigen Schrauben drehen. Damit die Neuerungen tatsächlich den Opfern zugutekommen und nicht den Politikerinnen und Politikern, die allein auf billigen Applaus schielen.