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Was Demokratie bedeutet

Von Walter Hämmerle

Leitartikel
© Luiza Puiu

Keine Partei verfügt über eine mehrheitsfähige und konstruktive Antwort auf die Zukunft.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 1 Jahr in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Demokratie bedeutet, dass niemand die Hände in Unschuld waschen oder mit dem Finger auf andere zeigen kann, wenn die Dinge in eine falsche Richtung laufen, das Vertrauen erodiert oder die Unzufriedenheit steigt. Man kann statt des alternativen "oder" auch ein additives "und" verwenden, dann erinnert es mehr an die Gegenwart.

Wer wissen will, welche Folgen ein kaputtes Parteiensystem haben kann, kann nach Frankreich schauen, wo Straßenschlachten in den Städten ausgetragen werden, oder in die USA, wo zwei verhärtete Lager einander erbittert bekämpfen.

Von solchen Zuständen ist Österreich, obwohl man sich - dies müssten uns die vergangenen Jahre gelehrt haben - grundsätzlich nie in trügerischer Sicherheit wiegen soll, weit entfernt. Aber die Unzufriedenheit, die Frustration, auch die Wut wachsen auch zwischen Boden- und Neusiedler See - und keine Partei verfügt über eine mehrheitsfähige und konstruktive Antwort.

Neue, auch experimentelle Formen der Partizipation müssen die Parteien ergänzen, auch einhegen. Aber ohne lebendige Parteien, die Zukunft gestalten wollen und können, wird unsere Demokratie nicht funktionieren.

Neben programmatischen Fragen ist der naheliegende Weg aus der Krise, aufzuhören, ungeeignete Personen in Spitzenämter zu hieven. Das klingt simpel, scheint aber ziemlich schwierig, wenn man die Personalentscheidungen von ÖVP, SPÖ, auch Grünen in den vergangenen Jahren Revue passieren lässt. Dass sich die FPÖ, wenn sie regiert, noch spektakulärere Fehlgriffe leistet, kann den anderen kein Trost sein, weil die Geschäftsgrundlage der Blauen der Protest ist.

In unserer durchmediatisierten Gesellschaft kommt es auf die Köpfe an der Spitze an. An diesen liegt es, die Inhalte einer Bewegung zu verkörpern und zu repräsentieren. Ohne authentisches Spitzenpersonal ist Scheitern programmiert. Dass die Parteien nicht sehr viel mehr Energie in ihr Personalmanagement investieren, ist fahrlässig. Am Geld kann es nicht liegen, die Republik fördert bis an die Grenzen des Zumutbaren. Dennoch ist hinter den wenigsten Personalentscheidungen bei ÖVP und SPÖ eine schlüssige, auf die Wähler ausgerichtete Strategie erkennbar, stattdessen dominieren interne Ausgleichsinteressen oder schlicht der Zufall, zur rechten Zeit erreich- und verfügbar zu sein. Das ist keine ratsame Zukunftsstrategie.

Apropos Zukunft. Sie haben gerade meinen letzten Leitartikel für diese wunderbare Zeitung gelesen. Per Ende April scheide ich nach mehr als 21 Jahren aus der Redaktion aus. Es war mir eine Freude und eine Ehre.

Haben Sie herzlichen Dank!