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Was den Lockdown verhindern kann

Von Martin Tschiderer

Politik

Welche Maßnahmen bleiben, um eine Überlastung der Intensivstationen abzuwenden?


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Die Schwelle von 400 belegten Intensivbetten wurde am Dienstag geknackt. Ein neuer Pandemie-Höchststand bei den täglichen Corona-Infektionen wurde mit 9.943 Neuansteckungen binnen 24 Stunden ohnehin bereits am Wochenende erreicht. In Spitälern werden nicht dringend notwendige Operationen längst wieder verschoben, die Belagszahlen auf Normal- wie Intensivstationen steigen seit Mitte Oktober kontinuierlich an.

Die Politik reagierte darauf mit der 2G-Regel - von der Gastronomie bis zum Kino oder Friseur haben zu großen Teilen des öffentlichen Lebens nur noch Geimpfte und Genesene Zugang. Unter Fachleuten werden die Zweifel aber lauter, ob diese Maßnahme genügt, um die Pandemie wieder ausreichend unter Kontrolle zu bringen. Welche weiteren Verschärfungen könnten kommen? Und wie realistisch sind die Szenarien?

Ein neuer Lockdown für alle

Grundsätzlich hat die Bundesregierung in Aussicht gestellt, dass kein weiterer genereller Lockdown mehr kommen soll. Kanzler Alexander Schallenberg (ÖVP) hat einen solchen auch zuletzt mehrfach ausgeschlossen. Gerüchte rund um einen bevorstehenden Lockdown für alle kamen zuletzt dennoch vermehrt auf und verbreiteten sich schnell über soziale Netzwerke.

Besonders in Gastronomiekreisen ging auch eine E-Mail um, die ohne Quellenangabe vor einem harten Lockdown mit geschlossenen Lokalen und nächtlichen Ausgangssperren ab 17. November warnte. Aus dem Kanzleramt wurde dieses Gerücht gegenüber der "Wiener Zeitung" als falsch und "völlig ohne Grundlage" dementiert. Ein weiterer harter Lockdown für alle gilt auch nicht zuletzt aufgrund der neuerlichen ökonomischen Verwerfungen, die er produzieren würde, als unwahrscheinlich.

Ein Lockdown für Ungeimpfte

Der Stufenplan der Bundesregierung sieht bei österreichweit 600 belegten Intensivbetten, also einer Auslastung von 30 Prozent der Intensivkapazitäten, einen De-facto-Lockdown für Ungeimpfte vor. Zusätzlich zur in allen Innenräumen geltenden 2G-Regel treten dann nämlich Ausgangsbeschränkungen für Ungeimpfte in Kraft. Das Verlassen des privaten Wohnbereichs ist dann nur noch in Ausnahmefällen erlaubt. Am Dienstag waren laut Gesundheits- und Innenministerium 403 Intensivbetten belegt.

Ist dieser nächste vorgesehene Schritt im Stufenplan ausreichend, um die Intensivstationen der Spitäler vor Überlastung zu schützen? Anhand der Infektionsdynamik der vergangenen Wochen müssen dafür laut aktuellen Prognosemodellen 30 Prozent der für die Infektionsübertragung relevanten Kontakte unterbunden werden, sagt der Komplexitätsforscher Peter Klimek zu dieser Zeitung. Eine Prognose darüber, ob die Maßnahmen des Stufenplans dafür ausreichen, ist laut Klimek aber kaum möglich, weil es keine Vergleichsmöglichkeit gibt: Als die Zahlen vor einem Jahr ähnlich hoch waren wie heute, gab es nämlich noch keine Impfung.

Regionale Lockdowns

Eine Alternative oder Ergänzung zu einem österreichweiten Lockdown für Ungeimpfte könnten regionale Lockdowns in Hochinzidenzgebieten sein. Aufgrund der sehr unterschiedlichen Inzidenzzahlen der Bundesländer - aktuell etwa sehr hohe in Oberösterreich und Salzburg und nur etwa halb so hohe in Wien und im Burgenland - ist eine solche Maßnahme als gelinderes Mittel deutlich wahrscheinlicher als ein Lockdown für alle im gesamten Bundesgebiet. Auch Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) schloss regionale Lockdowns in der ORF-"Pressestunde" am Sonntag nicht aus. Sie seien aber nur die "allerletzte Konsequenz", so Kogler.

Eine "2G+"-Regelung

Ein gelinderes Mittel zur Verschärfung, das unabhängig von (Teil-)Lockdowns eingeführt werden könnte, wäre eine "2G+"-Regelung. Sie würde bedeuten, dass auch Geimpfte und Genesene zum Eintritt etwa in die Gastro oder in Kultureinrichtungen zusätzlich zu ihrem 2G-Status noch einen aktuellen Corona-Test vorweisen müssten. Dafür spricht neben den häufiger werdenden Impfdurchbrüchen: Geimpfte, die das Virus in sich tragen, können es in der Anfangsphase der Infektion, wo häufig noch keine Symptome zu bemerken sind, mit einer ähnlich hohen Viruslast weitergeben wie Ungeimpfte, erklärt Virologin Monika Redlberger-Fritz im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Die Viruslast sinke bei Geimpften aber deutlich schneller ab. "Sie sind damit insgesamt deutlich weniger infektiös", sagt die Virologin. "Ein Superspreader-Event wird von geimpften Personen also kaum ausgehen."

Laut Einschätzung des Epidemiologen Gerald Gartlehner könnte zudem bei nicht ausreichender Wirkung der 2G-Regel eine weitere Maßnahme als nächster Schritt nötig sein: Die Wiedereinführung der Quarantäne für Geimpfte, wenn sie engen Kontakt zu einem Corona-Infizierten hatten, zumindest "in manchen Bundesländern". Nach fünf Tagen sollte dann ein "Freitesten" möglich sein, sagte der Mediziner. Derzeit werden Personen, die engen Kontakt zu einer infizierten Person hatten und damit an sich als "K1"-Person gelten, automatisch auf "K2" zurückgestuft, wenn sie geimpft oder genesen sind. Die Quarantäne fällt für sie daher aktuell weg.

Eine Impfpflicht für alle oder für bestimmte Berufe

Eine generelle Covid-19-Impfpflicht gilt aufgrund ihres Zwangscharakters als politisch heikel - und daher als unwahrscheinlich. Rein verfassungsrechtlich sehen Experten aber kaum Bedenken. "Je mehr wir impfen, desto höher wird die Datengrundlage für eine allgemeine Impfpflicht", sagte etwa der auf Medizinrecht spezialisierte Verfassungsrechtler Karl Stöger zur "Wiener Zeitung". Ein Gesetzesbeschluss zur allgemeinen Impfpflicht sei zulässig, "wenn die Impfung das Mittel ist, die Pandemie in den Griff zu bekommen".

Bereits jetzt können einzelne Berufsgruppen laut Epidemiegesetz zur Impfung verpflichtet werden: Nämlich jene, die sich beruflich mit Krankenbehandlung, Krankenpflege oder Leichenbesorgung beschäftigen, sowie Hebammen. Eine Impfpflicht für Neuangestellte in Spitälern gibt es schon in mehreren Bundesländern.