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Was der EU-Wahlsonntag über den Herbst erzählt

Von Simon Rosner

Politik

Dass die FPÖ nach "Ibiza" bei der EU-Wahl stabil blieb, macht für die Neuwahl im September eine türkis-pinke Mehrheit unwahrscheinlich.


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War das nun ein Vorbote für den Herbst? Zunächst einmal: Eine echte Testwahl kann es nur sein, wenn es die Parteien dezidiert zu einer solchen machen - und, wichtig!, die Wählerinnen und Wähler sie auch als eine solche verstehen. Eine solche Duplizität liegt nicht immer vor. Bruno Kreisky hatte 1978 die Volksabstimmung zu Zwentendorf zu einer Testwahl für ihn gemacht, die er knapp verlor. Nur wenige Monate später holte er aber erneut die Absolute. Der umgekehrte Fall war die Bundespräsidentenwahl 2016. ÖVP und SPÖ, im ewigen Konflikt verkeilt, warfen naturgemäß nicht ihr bundespolitisches Wirken als Argument in die Wahlschlacht, die Wähler reagierten dennoch ihren Frust über Rot und Schwarz an deren Kandidaten ab. Nur ein Jahr später schenkte dieselbe Wählerschaft diesen beiden Parteien zusammen aber wieder eine Mehrheit, auch wenn sich Sebastian Kurz dann für Blau entschied.

Gänzlich im luftleeren Raum findet aber keine Wahl statt, es gibt häufig eine Reziprozität mit anderen Ebenen, also Bund, Land, Gemeinden. Und das gilt natürlich auch für die EU-Wahl. Ihr Vergleich mit der Nationalratswahl und ihre Deutung als Testwahl liegt nahe, da eben auch bundesweit gewählt wird und, anders als beim Bundespräsidenten, Parteien gewählt werden. Trotzdem unterschieden sich die Ergebnisse bei den bisherigen EU-Wahlen bisweilen deutlich von den Nationalratswahlen in zeitlicher Nähe.

Aufgrund der plötzlichen Neuwahl in Österreich fragten die Meinungsforscher diesmal ab, ob die Innenpolitik eine Rolle spielte: Eine Mehrheit bejahte dies. Zu bedenken ist aber, dass bis September noch viel passieren kann. Vielleicht wirkt Ibiza bei den FPÖ-Wählern erst nach, vielleicht ist es in ein paar Wochen ganz vergessen. Doch die Vermutung liegt nahe, dass die FPÖ im Herbst nicht zerbröselt. Dennoch dürfte Sebastian Kurz profitieren, zumindest scheint es für ihn mehr blaues Potenzial als für die SPÖ zu geben.

Doch wie groß ist dieses? Mit Sonntag scheint es doch wahrscheinlich, dass es nicht groß genug sein dürfte, dass Kurz im Fall eines Wahlerfolges drei Optionen bekommt. Die pinke, also eine Koalition mit den Neos, wird rechnerisch schwierig. Obwohl ÖVP und Neos bei den EU-Wahlen bisher stets stärker abschnitten als bei Nationalratswahlen im selben, vorherigen oder folgenden Jahr, fehlten diesmal 6 bis 7 Prozentpunkte auf eine Mehrheit. Bis Herbst müsste also eher ein größeres Wunder passieren.

Vielleicht ginge sich - wie theoretisch diesmal - eine Dreierkombination mit den Grünen aus. Aber das muss Kurz einmal politisch vereinen. Dass dies nicht gerade leicht ist, weiß man aus Deutschland. Der gescheiterte Versuch dort führte zu einer neuen Auflage der großen Koalition. Obwohl CDU und SPD auf persönlicher Ebene besser können als SPÖ und ÖVP, erlebten die beiden Volksparteien in Deutschland auch eine bittere Niederlage bei der EU-Wahl. Ein seriöser Test für die nächste Bundestagswahl? Oder doch nur ein Ausrufezeichen?