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Was der Herbst bringt

Von Matthias G. Bernold

Wirtschaft

Ein reichhaltiges Programm haben sich die Justizexperten für den heurigen Herbst vorgenommen. In einem Unterausschuss des Parlaments wird (zum wiederholten Mal) die strafprozessuale Vorverfahrensreform diskutiert. Dazu kommen Neuerungen im Nachbar-, im Reise- sowie im Sexualstrafrecht.


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Den kommenden Mittwoch haben sich die mit Justizagenden befassten Parlamentsmitglieder im Kalender rot angestrichen: Von 9 bis 14 Uhr tagt der Unterausschuss zur StPO-Reform. Um 15 Uhr geht es dann im Justizausschuss weiter, wo u.a. das Zivilrechtsänderungsgesetz 2004 diskutiert wird. Die Reformen im Überblick:

Nachbarrecht

Bevor sich streitlustige Nachbarn vor dem Bezirksgericht zanken, soll ein außergerichtlicher Schlichtungsversuch obligatorisch werden. Die Gerichte können nach dem Entwurf erst dann angerufen werden, wenn binnen drei Monaten keine gütliche Einigung erzielt wird. Unter dem Schlagwort "Recht auf Licht" wird die Möglichkeit diskutiert, sich gegen "negative Immissionen" zu wehren. Gemeint ist der Schattenwurf von fremden Bäumen und Pflanzen auf das eigene Grundstück. Darüber hinaus wird das geltende Selbsthilferecht des Nachbarn (z.B. das Abschneiden von Ästen und Wurzeln) modifiziert und darf nur noch sachgerecht und unter Schonung der fremden Gewächse ausgeübt werden.

Pauschalreiserecht

Die Regierungsvorlage bringt eine Änderung des Konsumentenschutzgesetzes, durch die klargestellt wird, dass Touristen bei erheblichen Reisemängeln auch der Ersatz der entgangenen Urlaubsfreude zusteht. Die unterschiedliche Judikatur in Wien und Linz zu diesem Thema sollte damit der Vergangenheit angehören.

EU-Geldwäscherichtlinie

Durch Änderung der Rechtsanwaltsordnung und der Notariatsordnung soll einer EU-Richtlinie Rechnung getragen werden: Die bisher nur für Kredit- und Finanzinstitute geltenden Pflichten im Kampf gegen Geldwäsche werden auf Rechtsanwälte und Notare ausdehnt. Künftig sollen Identifizierungspflichten bestehen - u.U. auch Meldepflichten gegenüber dem Bundeskriminalamt.

Eigenkapitalersatzgesetz

Seit dem 1991 wendet der Oberste Gerichtshof (OGH) die deutschen Grundsätze über Eigenkapital ersetzende Gesellschafterdarlehen modifiziert an. Entscheidet sich ein Gesellschafter in einer Krise seines Unternehmens dazu, ein Darlehen zu gewähren, anstatt Eigenkapital zuzuführen, bekommt er dieses "Eigenkapital ersetzende Gesellschafterdarlehen" erst zurück, wenn die Gesellschaft nachhaltig saniert wurde. Die Regierungsvorlage knüpft an diese Grundsätze an. Die Gesellschafter sollen aber frei entscheiden können, wie sie ihre Gesellschaft finanzieren, zumal Gesellschafterkredite gegenüber Kapitalerhöhungen als flexibleres Instrument zur kurzfristigen Verbesserung der Liquidität gelten.

Grundbuch-Anfrage-Online

Um den elektronischen Rechtsverkehr auch auf die Belange des Grundbuches auszudehnen, sollen durch ein so genanntes Grundbuchumstellungsgesetz nun die rechtlichen Voraussetzungen für eine diesbezügliche elektronische Urkundensammlung geschaffen werden. Ab 2004 sollen Online-Grundbuchs-Anfragen möglich sein.

Sexualstrafrecht

Das angestrebte Strafrechtsänderungsgesetz zielt auf den Schutz von Frauen und Minderjährigen vor sexueller Ausbeutung. So soll ein Straftatbestand gegen Menschenhandel auf der Ebene sexueller Ausbeutung geschaffen werden. Weiters werden auch pornographische Darstellungen mündiger - nicht wie bisher nur unmündiger - Minderjähriger (14 bis 18 Jahre) unter Strafe gestellt. Ebenfalls pönalisiert werden das Anwerben, Anbieten und Vermitteln von Minderjährigen zur Prostitution. Schließlich wird die Vergewaltigung in der Ehe nicht länger vom Gesetz privilegiert. Antragspflicht der verletzten Person und Strafmilderung fallen. Auch sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz soll künftig mit Strafe bedroht sein (Geldstrafe oder bis zu sechs Monate Haft).

StPO-Vorverfahren

Seit Jahrezehnten diskutiert - immer wieder verschoben: Die "Jahrhundertreform" sorgt immer noch für lebhafte Diskussionen. Der Staatsanwalt soll künftig zur Leitfigur im strafprozessualen Vorverfahren werden, während der Richter in diesem Verfahrensabschnitt nur mehr auf die Wahrung der Grundrechte achtet. Der Mittwochs-Runde sollen noch zwei weitere folgen, bis es im Dezember zur endgültigen Einigung kommen könnte. Zankäpfel sind nach wie vor die divergierenden Ansichten über den notwendigen Personalaufwand und die Frage, ob der Untersuchungsrichter nicht für bestimmte, besonders brisante Fälle erhalten bleiben sollte.

Außerstreitgesetz

Und noch ein Mammutprojekt steht ins Haus: Das Außerstreitgesetz, das Bereiche wie Pflegschafts-, Obsorge- oder Verlassenschaftsverfahren sowie Grund- und Firmenbuch-Angelegenheiten berührt. Ziel der Novelle, die 2005 in Kraft treten soll, ist ein modernes, serviceorientiertes Verfahren, das es dem Richter erlaubt, die Rechtsbeziehungen der Bürger flexibel zu gestalten.