Ältere werden mit dem neuen Impfstoff vorerst nicht geimpft, das kann sich aber bald ändern.
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Erwartungen speisen sich zu einem Gutteil aus Hoffnungen und Befürchtungen. Die Impfungen gegen das Coronavirus sind dafür ein Musterbeispiel. Sie waren seit Beginn die Hoffnung für ein Ende der Pandemie, und zwar ein vergleichsweise gutes, während die natürliche Herdenimmunität den Worst Case darstellte. Die Hoffnung war jedoch stets auch von Befürchtungen begleitet. Dass es viele Jahre dauern wird; dass es vielleicht gar nicht gelingen wird, einen Impfstoff zu produzieren; dass sich das Virus so schnell verändert, dass der Impfstoff keine Wirksamkeit mehr aufweist.
Die Hoffnung ist Realität geworden und sogar übertroffen worden. Selbst etliche Fachleute hätten im Frühling nicht unbedingt mit Zulassungen noch im Jahr 2020 gerechnet. Und die Wirksamkeit, besonders der mRNA-Impfstoffe, übersteigt sogar die optimistischen Erwartungen. Mittlerweile sind drei Impfstoffe in der EU genehmigt worden, zwei weitere (Johnson&Johnson, Novavax) haben ihre Phase-III-Studien erfolgreich absolviert und werden ebenfalls bald zugelassen werden. Zudem dürfte sich auch Russland mit seinem Sputnik-V-Impfstoff um eine EU-Zulassung bemühen.
Dass in den ersten Monaten die Nachfrage das Angebot weit übersteigen wird, war eine realistische Erwartung, die dann auch genauso eintraf. Dennoch wurde die politische Dynamik der Mangelverwaltung von den Regierenden in ganz Europa unterschätzt. Der Druck auf schnelleres Impfen ist seither enorm. Das spiegelt sich auch in der EU-Zulassung für den Impfstoff von AstraZeneca wider, der grundsätzlich für alle Altersgruppen zugelassen wurde, obwohl die Studiendaten keine Aussage über die Wirksamkeit bei Personen über 65 Jahren ermöglichen. Es obliegt daher den Staaten, darüber zu entscheiden.
In Österreich, wie auch in Deutschland, empfahlen die nationalen Impfgremien, AstraZenaca vorerst nicht in dieser Personengruppe einzusetzen. Diese Erwartung war eine Befürchtung aufgrund der wenigen Älteren, die in die Studie des britisch-schwedischen Herstellers eingeschlossen wurden. Das macht eine kleinere Anpassung der Impfpläne nötig. Bis Ende März sind insgesamt zwei Millionen Impfstoffdosen eingeplant. Für das zweite Quartal sind von Biontech und Moderna 4,1 Millionen Dosen versprochen, von AstraZeneca weitere 3,7 Millionen. Im ersten Halbjahr werden das allein von diesen drei Herstellern fast 10 Millionen Impfdosen (für 5 Millionen Personen) erwartet.
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Dass der Impfstoff grundsätzlich für Ältere sicher ist, geht aus den vorliegenden Studien sehr wohl hervor, zudem lässt die Immunantwort der über 65-Jährigen den Schluss zu, dass der Impfstoff bei diesen Personen sehr wohl auch wirkt. Die Frage ist nur, wie gut. Dafür steht der wissenschaftliche Beweis noch aus. "Es würde uns nicht überraschen, wenn die Wirksamkeit bei Älteren geringer ist", sagt Markus Zeitlinger, Vorstand der Universitätsklinik für Klinische Pharmakologie der MedUni Wien. Das betrifft alle Impfstoffe, bei AstraZeneca wird jedoch die generelle Wirksamkeit als geringer eingeschätzt, eher bei 70 Prozent als bei den über 90 Prozent bei Biontech und Moderna (mRNA-Impfstoffe). "Die Frage ist, was man als untere Grenze akzeptiert", sagt Zeitlinger. Die EU-Arzneimittelbehörde EMA wie auch die WHO hat als Minimum 50 Prozent festgelegt.
Studien könnten Effektivität bei Älteren bald nachweisen
Diese tatsächliche Wirksamkeit in der Anwendung kann von den Werten aus den Studien abweichen. Zwar ist die Immunantwort der Antikörper bei AstraZeneca geringer als ausgeprägt als bei Biontech und Moderna, ein Vorteil von Vektorimpfstoffen wie AstraZeneca ist aber die allgemein starke Antwort der T-Zellen. Auch diese spielt für die Immunität gegen Corona eine große Rolle.
Wirklich gravierende Umbauten in den Impfplänen gibt es vorerst nicht erwarten. Ältere Personen wird man, wie bisher, mit den beiden mRNA-Vakzinen impfen. Das betrifft insgesamt rund 1,7 Millionen Personen in Österreich und 315.000 in Wien. Abgesehen vom Grundproblem des zu geringen Angebots kann das bedeuten, dass nicht mobile Personen, die man auch nicht in ein Impfzentrum transportieren kann, nicht immunisiert werden können. Das dürften aber nicht sehr viele sein. Davon geht man auch in Wien aus.
In den ersten Prioritätsstufen finden sich zudem viele Personengruppen, die unter 65 Jahre sind, etwa Beschäftigte in der mobilen Pflege, Risikogruppen (Diabetes, Adipositas, Krebs, Asthma, Rheuma, etc.) sowie Personal im Bildungsbereich und in Sozialberufen mit sehr vielen beruflichen Kontakten. AstraZeneca ist leichter zu lagern und zu transportieren und kann von Hausärzten geimpft werden. Das ist der Vorteil.
Außerdem gibt es Anlass zu Optimismus, dass dies nur eine temporäre Einschränkung ist. In einigen Wochen sollten aus den USA und Großbritannien, wo in allen Altersgruppen AstraZeneca geimpft wird, ausreichend Daten über die Wirksamkeit bei Älteren zur Verfügung stehen, die dann - und das ist wiederum eine Hoffnung - die Wirksamkeit auch bei Älteren nachweisen. Diese avisierten Studien waren auch ein Grund dafür, dass die EMA zwar auf die mangelhafte Datenlage hinwies, aber keine explizite Einschränkung empfahl und die EU-Kommission diese Frage dann auch den Mitgliedstaaten delegierte. Sobald die Studien vorliegen, kann in diesen dann sehr rasch reagiert werden.
Lieferverzögerungen kamen nicht ganz unerwartet
Eine weitere Befürchtung, die eintrat, betrifft die Verzögerungen bei den Lieferungen. Unangenehm, aber eben nicht ganz unerwartet. "Impfstoff wird grundsätzlich in sehr kleinen Werken hergestellt. Mit der Produktionsmenge hinaufgehen, ist nicht so banal", sagt Zeitlinger. Zumal qualifiziertes Personal weltweit auch ein limitierender Faktor ist.
Eine noch offene Befürchtung betrifft die womöglich geringere Wirksamkeit bei Mutationen des Virus. Und diese scheint sich nun zusehends zu bestätigen. "Die ersten Daten gehen in diese Richtung", sagt Zeitlinger. Das betrifft die Variante P1 (Brasilien) sowie B.1.351 (Südafrika). Letztere wurde in Österreich bereits nachgewiesen, aktuell gibt es einen Cluster um einen Kindergarten in St. Johann im Pongau. Die gute Nachricht: mRNA-Impfstoffe sind relativ schnell an diese Mutationen anzupassen, es braucht vielleicht auch kein neues Zulassungsverfahren. Das spart viel Zeit und ist - zumindest - eine Hoffnung.