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Es ist eine häufig an Stammtischen anzutreffende Meinung: Warum soll die Gesellschaft für das Durchfüttern eines zu lebenslanger Haft verurteilten Mörders Unsummen zahlen, wenn sie eine Hinrichtung doch viel billiger käme?
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Wie so oft ist die Stammtisch-Meinung auch in diesem Fall völlig falsch. Es gibt in den USA unzählige Studien zu den Kosten der Todesstrafe. Und alle kommen zum selben Ergebnis: Die Todesstrafe ist wesentlich teurer als lebenslange Haft. Die umfassendste Untersuchung hat die Duke University veröffentlicht.
Diese belegt, dass ein Todesurteil samt Hinrichtung den Steuerzahler pro Fall um drei Millionen Dollar mehr kostet als lebenslange Haft. Rechnet man das auf jene 3350 Personen um, die derzeit in den USA in der Todeszelle sitzen, erwachsen den Amerikanern aus dem System Todesstrafe Mehrkosten von mehr als zehn Milliarden Dollar.
Der Grund für die hohen Kosten der Todesstrafe ist einleuchtend: Weil es sich um eine so gravierende Sanktion handelt, muss das Justizsystem durch genaue Prüfung sicherstellen, dass die Strafe in jedem Einzelfall auch gerechtfertigt ist. Daraus entstehen meist mehr als zehn Jahre lange Gerichtsverfahren mit unzähligen Berufungen.
Hier aber Verfahren abzukürzen hieße, den Rechtsstaat ausgerechnet bei der Todesstrafe abzuschaffen. Und das würde selbst den meisten Befürwortern der Todesstrafe zu weit gehen.
Auf der anderen Seite steht die Frage, was die Steuerzahler für jene zehn Milliarden Dollar erhalten, die sie in das System Todesstrafe stecken. Die Antwort darauf lautet: Wenig bis gar nichts. Auch hier gibt es viele Studien, die die Mordrate von Ländern ohne Todesstrafe mit jener von Ländern vergleichen, in denen es Exekutionen gibt. Keine einzige lässt den Schluss zu, dass die Todesstrafe die Sicherheit erhöht.
Rein mathematisch ist das auch überhaupt nicht verwunderlich. Derzeit gibt es in den USA rund 16.700 Morde pro Jahr. Nur bei etwa einem Zehntel davon fordert der Staatsanwalt die Todesstrafe (diese darf in den meisten Staaten nur bei erschwerenden Begleitumständen verhängt werden). Dies mündet in weiterer Folge in rund 130 tatsächliche Todesurteile. Und von diesen wiederum werden derzeit etwa 40 pro Jahr tatsächlich vollstreckt.
Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Mörder für seine Tat hingerichtet wird, liegt also bei etwa 1:400 - nicht gerade ein Verhältnis, das für eine abschreckende Wirkung der Todesstrafe spricht.
Um einen realistischen Abschreckungs-Effekt zu erzielen, müssten die USA mehrere tausend Personen pro Jahr exekutieren. Bei dieser Rate, die höher wäre als jene Chinas, wäre die Abschreckung garantiert. Allerdings wäre damit wohl auch garantiert, dass sich die gesamte Gesellschaft der USA grundlegend verändert. Seite 9