Zum Hauptinhalt springen

Was Diplomaten und Landesfürsten verbindet

Von Walter Hämmerle

Kommentare

Mut ist keine politische Kategorie - schon gar nicht für Außenminister und Österreichs Landeshauptleute.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 16 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Was haben europäische Außenminister und österreichische Landeshauptleute gemeinsam? (Keine Sorge, das ist nicht der neueste Witz Gerhard Dörflers.) Beide schieben, wenn irgend möglich, unliebsame Angelegenheiten mit Vorliebe an andere weiter.

Die EU-Außenminister an die EU-Innenminister die heikle Frage, ob den Terrorverdächtigen aus dem US-Gefangenenlager Guantanamo Asyl gewährt werden soll oder nicht. Und auch die Landesfürsten lassen sich nicht gerne den Schlaf von unpopulären Entscheidungen rauben, weshalb sie dankend auf die Letztentscheidung beim geplanten humanitären Bleiberecht verzichten. Auch hier kommt wieder das Innenministerium zum Handkuss.

Mut zu unpopulären Entscheidungen ist offensichtlich nicht für alle eine politische Kategorie.

*

Nur wenige Stunden dauerte es in den USA, bis nach der Angelobung Barack Obamas sämtliche Ministerien die neue Ära auf ihren Internetseiten und sonstigen Kommunikationsmitteln umgestellt hatten. Immerhin galt die Wahl Obamas als Bruch mit der Ära seines Vorgängers. In Österreich hat man sich dagegen offensichtlich mit der ewigen großen Koalition abgefunden, nicht einmal der Austausch einiger Gesichter fällt da groß ins Gewicht.

Verwunderlich ist es aber doch, wenn man im Jänner 2009 ein Schreiben des Bundesministeriums für Gesundheit, Familie und Jugend im Postkasten findet, wo es um die Erhebung von Familienentwicklung und Familienbeziehungen geht und das die Unterschrift von "Dr. Andrea Kdolsky, Bundesministerin" ziert.

Die neue, alte Regierung wurde immerhin bereits am 2. Dezember angelobt - und Kdolsky ist definitiv nicht mehr mit dabei.

*

Seit Wochen kommt die FPÖ nicht aus den negativen Schlagzeilen heraus, in die sie dank Susanne Winter und den Mitarbeitern von Martin Graf hineinkam. Nach außen hin werden die Reihen dicht geschlossen - dieser Reflex funktioniert bei den Blauen ebenso perfekt wie bei jeder anderen Partei: Man lässt sich weder vom politischen Gegner und schon gar nicht von den Medien einen der eigenen herausschießen.

Gibt es aber zumindest intern einen Nachdenkprozess über eigene Fehler, Versäumnisse im Umgang mit demokratiepolitischen Grenzüberschreitungen?

Allenfalls am Rande, zuallererst fühlt sich die FPÖ als Opfer einer - aus ihrer Sicht - nicht gerade wohlwollenden Medienlandschaft, die Grenzüberschreitungen am linksextremen Rand des Spektrums nicht ebenso scharf verurteile. Nur hinter vorgehaltener Hand wird auch die Personalwahl des Dritten Nationalratspräsidenten kritisiert.

Die Causa Winter, die - nicht rechtskräftig - wegen Verhetzung zu 24.000 Euro Geld- und drei Monaten bedingter Freiheitsstrafe verurteilt wurde, wird dagegen differenzierter betrachtet. Inhaltlich, vor allem aber in der Form ihrer Aussagen über den Propheten Mohammed habe sich die FPÖ sehr wohl von Winter distanziert.

Demokratiepolitisch für bedenklich hält jedoch Justizsprecher Peter Fichtenbauer die Verhandlung politischer Aussagen vor dem Strafgericht: "Die strafrechtliche Kontrolle von politischen Aussagen ist unerträglich, hier muss sich die Justiz zurücknehmen", ist der Jurist überzeugt - zumal es zu anderen Zeiten auch andere Parteien treffen könne.

Tatsächlich wäre dies die Aufgabe einer intakten demokratischen Streitkultur, wenn es eine solche denn in Österreich gäbe ...

hauptstadtszene@wienerzeitung.at