)
Die Forschungen daran sind verhältnismäßig jung, der Forschungsgegenstand dagegen quasi prähistorisch: Das limbische System - auch viszerales oder emotionales Gehirn genannt - verknüpft mehrere phylogenetisch alte Gehirnanteile, die eine Vielzahl von Funktionen haben. Es ermöglicht etwa sinnvolles Reagieren und Interagieren auf und mit der Umwelt und steht deshalb in einer komplexen Zusammenarbeit mit anderen Hirnteilen wie zum Beispiel dem Riechhirn. Das macht es so interessant für die Pharmakologie, die Aromatherapie und neuerdings sogar die Textilindustrie.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 22 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Schlagworte wie jenes von der "emotionalen Intelligenz" haben diesem Bereich am Rand des Neocortex zuletzt zwar einige Aufmerksamkeit beschert, Faktum ist aber, dass es vor allem die krankhaften Veränderungen oder Störungen sind, die uns Aufschluss über die Funktionen des limbischen Systems geben. Schizophrenie etwa schlägt sich auch in einer pathophysiologischen Beteiligung bestimmter Areale nieder, fällt jener Bereich aus, der Hippokampusformation genannt wird, wirkt sich das katastrophal auf das Aufnehmen neuer Informationen und auf das Erinnerungsvermögen aus.
Weiters ist das limbische System chemisch stark beeinflussbar, weshalb ihm einige Bedeutung etwa auf die Suchtentwicklung zugeschrieben wird, während pharmakologische Substanzen es zu Phänomenen wie Angst, Halluzinationen, Euphorie etc. anregen können und sich Traurigkeit oder Glücksgefühle an der unterschiedlichen Durchblutung seiner Areale messen lassen.
Duft als Droge
Angefangen bei den frühesten Rauschmitteln über das Kurieren von Krankheiten mit Hilfe von pflanzlichen Heilmitteln (Phytopharmaka) bis zu den Anfängen der Aromatherapie vor Tausenden Jahren: Das limbische System ist also immer irgendwie an der Kreation von Sinneseindrücken und an Wirkungsweisen beteiligt.
Alle frühen Hochkulturen wie jene in China, Mesopotamien, Ägypten und Indien haben sich daher mit der Bedeutung von Duftstoffen befasst. Balsamische Essenzen und ätherische Öle wurden nicht nur im Totenkult, sondern auch zu Festen und gegen Krankheiten eingesetzt. Und wo sie nicht halfen, die gefährlichen "Miasmen" der verschiedenen Seuchen zu vertreiben, machten sie wenigstens deren furchtbaren Gestank erträglicher - nicht wenige Opfer verschieden zum Duft von Rosen, Gewürznelken, Moschus, Ambra oder Wacholderbeeren.
Emotionale Stimulation
Auch heute setzt die so genannte Aromatherapie auf die emotionale Stimulation durch Düfte. Die einen sollen uns munter, fröhlich und ausgeglichen machen, die anderen entspannen und uns einen angenehmen Schlaf bescheren. Entsprechende ätherische Öle finden sich in mannigfaltiger Form und sogar in einer aus Italien kommenden Zahnpasta ("Gud Night"). Und natürlich bedienen sich sowohl Nahrungsmittel- als auch Waschmittel- und Kosmetikindustrie schon längst des Zaubers der schönen Düfte.
Allerdings nicht unbedingt mit durchschlagendem Erfolg. Erstens, weil jeder Mensch die meisten Düfte individuell aufnimmt und interpretiert, wobei auch die Erinnerung eine bedeutende Rolle spielt (typisch dafür, dass bisher nur Vanille und Kakao eindeutig den Kanon markieren). Zweitens, weil dieses Vermögen ungleich ausgeprägt ist und leicht gestört werden kann. Und schließlich, wie manche Forscher behaupten, weil wir zu Gunsten der optischen Eindrücke zunehmend andere Sinneswahrnehmungen vernachlässigen.
"Smarte" Kleidung
Zwei britische Firmen, Quest International - führend bei der Herstellung von Sensory-Design-Produkten - und The Woolmark Company - ein angesehener Textilerzeuger - haben nun in Kooperation die "Sensory Perception Technology" (SPM tm) entwickelt, die "Wohlbefinden in unsere Kleidung und in unser Leben zurück bringt" (Pressetext).
Frische und Pflege
Mit dieser neuen Technologie können demnach "positiv wirkende Partikel", etwa von Feuchtigkeitspflege, Deodorants, Düften, Raumdüften, Vitaminen, Insektenabwehrmitteln oder sogar Anti-Tabak-Textilerfrischern auf alle beliebigen Stoffe aufgetragen werden. Dies verspreche den Beginn einer außergewöhnlichen neuen Ära der "smarten" Kleidung, die "Sie beruhigt, stimuliert, schützt und liebt!" SPT(tm) ist sogar waschmaschinenfest, so dass die Wirkung bei jedem Tragen genossen werden kann.
Dahinter steckt das Konzept des Sensismus, das in einer ICI-Untersuchung über das Geheimnis der Sinne von Dr. Charles Spence von der Universität Oxford, entwickelt wurde. Spence, ein Experimentalpsychologe, argumentiert, wir lebten in einer visuell dominierten Gesellschaft, in der die eher emotionalen Sinne wie Tast- und Geruchssinn an den Rand gedrängt würden. Er ruft zu einem ganzheitlichen Ansatz auf, denn zusammen genommen erzeugten die Sinne weitaus wohltuendere Effekte, als durch die Summe der einzelnen Sinneswahrnehmungen erreicht werden können.
"Sensismus-Philosophie"
Shibani Mohindra, New Business Development Director bei Quest International, sagt dazu: "Bis jetzt hat Kleidung nur den Seh- und Tastsinn angesprochen, doch eine neue Art, die Einflüsse von Sinneswahrnehmungen in unser Leben einzubeziehen - der Sensismus - wird die Textilindustrie revolutionieren. Diese neue Philosophie beruht auf der Idee, dass uns multi-sensorische Produkte zu mehr Produktivität, mehr Erfolg und glücklicheren Beziehungen verhelfen können. Die erste praktische Anwendung dieses Konzepts ist die SPT(tm)-Technologie, die die Herstellung von '3D-Stoffen' ermöglicht - von Kleidung, die gut aussieht, sich gut anfühlt und dem Träger zu mehr Wohlbefinden verhilft - und in Zukunft zur Norm wird."
New Age-Prinzip mit
Düften rund um die Uhr
Angepeilt werden Szenarien rund um die Uhr: "Nach einer langen Disko-Nacht wird Ihre Ausgehkleidung am nächsten Morgen wieder nach frischen Gänseblümchen oder Ihrem Lieblingsparfum duften, Sie müssen sie nur kurz schütteln." Oder: "Haben Sie morgens immer zu wenig Zeit? Dann nehmen Sie eine kurze Dusche und lassen Sie Ihre Wäsche die Feuchtigkeitspflege Ihrer Haut übernehmen, während Sie bereits auf dem Weg zur Arbeit sind." Aber auch kühlende Sportkleidung und nach Blumengarten duftende Sofas. - Wenn da nur niemand allergisch darauf reagiert...