Expertin Koenne ortet als Grund allen Übels die Geheimhaltungshysterie.
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Wien. Test-Gegner werden plötzlich zu Befürwortern. Wie kommt das? Der Teststopp für das Bundesinstitut für Bildungsforschung (Bifie), den Unterrichtsministerin Gabriele Heinisch-Hosek nach dem Leck bei Schülerdaten nun verfügt hat, führt zu interessanten Verwerfungen in der bildungspolitischen Debatte. So hat sich etwa der Vorsitzende der AHS-Lehrergewerkschaft Eckehard Quin, der sich bis vor Kurzem vehement gegen die Zentralmatura ausgesprochen hat, plötzlich für diese in die Schlacht geworfen. Auch der langjährige Pisa-Test-Kritiker, Bildungswissenschafter Stefan Hopmann, findet es derzeit falsch, beim Pisa-Test der OECD nicht mitzumachen.
Bifie: Schon 300.000 Euro für Pisa und Timss investiert
Gegen die Aussetzung des Pisa-Tests im Jahr 2015, weil die Vorbereitungstests heuer nicht garantiert sind, spricht sich auch die Wirtschaftskammer (WKO) aus. Es sei "eine Blamage, dass eine Datenlücke zum Anlass herangezogen wird, um bei den Pisa-Tests auszusteigen", kritisierte WKO-Präsident Christoph Leitl. Dahinter stehe "offensichtlich auch das Kalkül, die Kontrolle von Bildungsstandards abzuwürgen, da die Pisa-Ergebnisse für Österreich - vornehm ausgedrückt - nicht sonderlich erfreulich waren", mutmaßt Leitl.
Auch das Bifie selbst wehrt sich gegen den Test-Stopp. So seien alleine für die Pisa- und Timss-Feldstudien bereits Sachmittel von rund 300.000 Euro angefallen. Die beiden Bifie-Direktoren Christian Wiesner und Martin Netzer sehen in der Verschiebung der Bildungsstandards "große organisatorische Herausforderungen und zusätzlichen finanziellen Ressourcenbedarf". Die Grünen kritisieren den Ausstieg aus Pisa als "unprofessionell".
In der SPÖ dagegen stehen alle - angefangen von Kanzler Werner Faymann - hinter der Entscheidung der Unterrichtsministerin. Tests vor dem Hintergrund fehlender Datensicherheit auszusetzen, sei keine Frage der Ideologie, sondern der Verantwortung, sagte der Kanzler. Wissenschaftsminister Reinhold Mitterlehner hält das Test-Aus dagegen für "bedauerlich". Und Heinisch-Hosek selbst hat die Schulpartner - Lehrer-, Eltern- und Schülervertreter - am Dienstagabend über die weitere Vorgangsweise bei der Zentralmatura informiert. Sollte der Datencheck von TÜV Austria beim Bifie negativ ausfallen, werde das Ministerium die Aufgaben für die Zentralmatura im Mai zur Verfügung stellen.
"Tests sind wichtig, weil sie eine Vergleichsmöglichkeit geben, wo die Schulen tatsächlich stehen", sagt Bildungsforscherin Christa Koenne zur "Wiener Zeitung". Koenne begleitet seit 1998 die Pisa-Science-Gruppe in Österreich. Sie sei grundsätzlich für Testungen, dennoch könne sie die Entscheidung der Unterrichtsministerin verstehen, sie nehme damit Kritikern den Wind aus den Segeln und erhalte sich die Handlungskompetenz. "Für die Fachwelt ist es schade, dass die Tests ausgesetzt werden, weil man die Entwicklung von Ergebnissen betrachten muss, um Lernchancen zu haben."
Das Übel der Debatte liegt auf einem rumänischen Server, auf dem Vortestungen zu den Bildungsstandards gespeichert sind. Diese Daten sind einzelnen Schülern nicht zuordenbar, aber Lehrer hatten Sorge, dass ihre und die Leistungen der Schulen damit beurteilt werden könnten. Koenne hält nichts von dieser "Geheimhaltungshysterie, weil alles, das man geheim halten will, erst dadurch interessant wird, dass man es geheim hält". Im Gegenteil, Schulen sollten selbst Erwartungen definieren und diese dann an den Testergebnissen messen. Das Theresianum - eine Wiener Eliteschule - hat sicherlich eine andere Erwartung, was die Ergebnisse betrifft, als eine Neue Mittelschule in Favoriten. "Daten müssen interpretiert werden, damit sie verstanden werden. Diese Interpretationshoheit würde ich den Schulen überlassen", sagt Koenne. Anhand solcher Ergebnisse könne die öffentliche Hand auch besser eine Ressourcensteuerung vornehmen.
Koenne: Bifie am Gängelband der Politik
Zum Bifie selbst meinte Koenne, dass die Vorbereitung von Tests, das Erstellen von Fragen, Auswertungen und Interpretationen ursächliche Aufgabe des Ministeriums sei. "In den meisten europäischen Ländern werden diese Aufgaben von den Ministerien gemacht." Die Auslagerung in das Bifie sei erfolgt, weil im Ministerium ein Aufnahmestopp galt, es für diese Aufgaben aber Experten gebraucht habe. Aber leider seien politische Einflüsse in Bifie gleich hoch wie im Ministerium, da könnte man das Institut auch wieder ins Ressort zurückholen, sagt Koenne. Eine Lösung jenseits von Ministerium und Bifie bot am Mittwochabend jedenfalls der Fachbereich Erziehungswissenschaften an der Uni Salzburg an. Die abgesagten Feldtests könnten problemlos von einer dort angesiedelten Arbeitsgruppe abgewickelt werden, heißt es in einem an das Bildungsministerium gerichteten Angebot.