Überreste von Nutztier-Kot, die im Mondsee gefunden wurden, geben Einblicke in das Leben der Menschen im Alpenraum vor 5.500 Jahren.
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Von der Jungsteinzeit bis zur Eisenzeit lebten Menschen im Alpenraum unter anderem in Pfahlbausiedlungen, um sich vor Raubtieren und Feinden zu schützen. Dazu rammten sie Holzpfähle an See- und Flussufern in den Boden. Da die Wasserspiegel in den vergangen 5.500 Jahren gestiegen sind, liegen die Überreste dieser Gemeinschaften heute großteils unter Wasser.
Taucharchäologen haben aus einer Pfahlbausiedlung am oberösterreichischen Mondsee neben anderen Funden gut konservierte Reste von Nutztier-Kot geborgen. Der Steinzeit-Misthaufen gibt Einblick in den Alltag der Pfahlbaubewohner und zeigt, wie sie 3.500 vor Christus Landwirtschaft betrieben und die Umwelt veränderten.
Die Ausgrabungen in der 70 mal 40 Meter kleinen Siedlung namens "Mooswinkel" in einer Bucht am Nordufer im Gemeindegebiet Innerschwand laufen seit 2018. Neben Keramik, Werkzeugen, Holzbalken und botanischem Material hat sich eine Menge kleiner Brocken von Kuhfladen, Ziegen- und Schafskot unter Ausschluss von Sauerstoff über die Jahrtausende erhalten.
"Im Prinzip handelt es sich um einen 5.500 Jahre alten Misthaufen", wird Erstautor Thorsten Jakobitsch vom Österreichischen Archäologischen Institut in einer Aussendung der Akademie der Wissenschaften zitiert. Zusammen mit der Universität für Bodenkultur in Wien berichten die Archäobotaniker im Fachjournal "Archaeological and Anthropological Sciences", wie die Menschen ihre Ökosysteme schon im Neolithikum genutzt und geformt haben.
"Wir analysieren die Proben im Labor und können so feststellen, dass Ziegen, Schafe und Kühe nur im Winter in den Siedlungen gehalten wurden und was auf ihrem Speiseplan stand", sagt Jakobitsch: "Wir konnten Winterfutter, wie etwa getrocknete Blätter von Ulmen, und Getreide, nachweisen."
Das Forschungsteam berichtet von "erstmals handfesten Beweisen" für die lange gehegte Vermutung, dass Graspflanzen schon damals zu Heu verarbeitet wurden. "Das können wir sagen, weil wir in den Heuresten Pflanzen gefunden haben, die für die Tiere giftig wären, wenn sie frisch verzehrt würden", erklärt Jakobitsch. Neben Anzeichen für Grasheu seien Spuren von Laubheu und Haselnussblüten in den Proben entdeckt worden. Die Forscher sehen darin den Nachweis, dass auch der Wald schon damals auf geplante und organisierte Weise genutzt wurde.
"Die Haselnussblüten wurden im Spätwinter geerntet und als verlässliche Futterquelle für diese karge Jahreszeit genutzt. Das Ernten von Laubheu zeigt, dass die Menschen sehr organisiert waren, weil abgeerntete Bäume einige Jahre Zeit brauchen, um wieder neue Triebe mit Laub zu liefern. Das muss entsprechend gemanagt werden", erklärt der Archäobotaniker.
Durch diese bereits intensive Nutzung der natürlichen Ressourcen haben die Menschen bereits im Neolithikum ihre Ökosysteme deutlich verändert. Mit regelmäßigen Eingriffen schufen sie Kulturlandschaften, die es ohne menschliches Zutun so nicht gegeben hätte. Die Nutzung von Bäumen habe die die Zusammensetzung der Pflanzenpopulation im Wald verändert. Das Fazit laut dem Forschungsteam: Die Menschen damals kannten ökologische Zusammenhänge gekannt und haben sie zu ihrem Vorteil genutzt.
Die Unesco hat vor etwas mehr als zehn Jahren 111 prähistorische Pfahlbauten in den Alpenregionen von sechs Ländern zum Welterbe erklärt. Aus Österreich stehen deren fünf am Keutschacher See, am Attersee und am Mondsee auf der Liste.(est)