Die USA sind die letzte verbliebene Supermacht, Europa bleibt auf der internationalen Bühne nicht mehr als die Rolle des Scheckbuchträgers mit moralischen Ansprüchen. Verantwortlich dafür sind weniger harte Fakten - sowohl in punkto Bevölkerungsgröße, Wirtschaftskraft als auch Technologieniveau verfügen beide über ähnliches Potenzial - als vielmehr der Wille und die Fähigkeit, klare Interessen zu definieren und politisch durchzusetzen. Und an diesem Punkt kommt der Begriff der Strategie ins Spiel.
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"Eine strategische Vision ist ein klares Bild von dem, was man erreichen will", formulierte der US-Zukunftsforscher John Naisbitt einmal prägnant. Und der jüngst mit Pauken und Trompeten gescheiterte Brüsseler EU-Gipfel über eine Verfassung für Europa führte wieder einmal mit schonungsloser Offenheit aller Welt vor Augen, dass Europa als Institution über keine strategische Vision verfügt.
Vom "europäischen Konzert", das etwa der österreichische Staatskanzler Metternich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts kunstvoll jonglierte, von seinen strategischen Visionen zur Gestaltung des alten Kontinents war in Brüssel nichts zu bemerken. Dabei hätte man bei Metternich eine Menge Anleitungen finden können, Europa durch gezielte Kooperationen zu gestalten.
Heute steht es mit leeren Händen da. Eine "Grand Strategy" wie sie etwa die USA seit Jahrzehnten hat, aus der man klare politische, wirtschaftliche oder militärische Teilstrategien ableiten und diese dann zur Gesamtstrategie zusammensetzen hätte können, fehlt zur Gänze. Die Stimmgewichtsverteilung wurde zur Machtfrage und dokumentierte das seit Jahrzehnten dominierende Defizit im strategischen Denken europäischer Politiker.
Mit Strategien gestalten
Je turbulenter die Zeiten sind, um so wichtiger werden langfristige Konzepte, die ein gezieltes Agieren und Gestalten erst möglich machen und zur umfassenden Sicherheit eines Staates und seiner Behauptung im Gesamtsystem beitragen. Dies bedingt allerdings auch ein Grundverständnis des Themas Strategie. Dies ist das Hauptziel dieser Serie in der "Wiener Zeitung".
Theorie trifft auf Praxis
Generelle Überlegungen werden mit konkreten Beispielen, die die Zusammenhänge und Hintergründe erklären, kombiniert. US-Perspektiven, europäische Überlegungen, russische und chinesische Konzepte werden analysiert und einander gegenüber gestellt. Ergänzend werden einzelne Schlüsselregionen wie der Kaukasus, Zentralasien und Kaschmir analysiert. Der Leser wird so mit dem "großen strategischen Schachbrett" aus mehrerlei Perspektiven vertraut.
Literaturtipps
- Brzezinski, Zbigniew: The Geostrategic Triad. Living with China, Europe, and Russia. The CSIS Press: Washington, D.C. 2001.
- Strategie: Theorie und Doktrin, Schriftenreihe der Landesverteidigungsakademie, 12/2002, Wien 2002.
- Pleiner, Horst: Militärstrategie im Wandel? Überlegungen zu den Entwicklungen seit dem 11. September 2001, ÖMZ, 6/2003, S. 699-710.