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Frauenförderung: Eine Anpassung an männliche Karrieremodelle bringt wenig, meint Diversity-Experte Peter Rieder.
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Wien. Vorbildlich: Im sechsköpfigen Vorstand der Wiener Städtischen Versicherung sind zwei Frauen vertreten, die Managementebene unter dem Vorstand besteht zu rund 25 Prozent aus Frauen, und auf Abteilungsleiterebene beträgt der Frauenanteil rund 35 Prozent. Das Unternehmen heimst auch seit Jahrzehnten regelmäßig Preise für Frauen- und Familienfreundlichkeit ein.
Es gibt einen Betriebskindergarten, die Arbeitszeiten sind so flexibel wie in kaum einem anderen Unternehmen der Versicherungsbranche. Das hilft vor allem beim Wiedereinstieg nach einer Karenz. Was noch dazukommt: "Im vergangenen Jahr haben wir die Papa-Woche eingeführt", erzählt Wiener-Städtische-Personalchef Robert Bilek. Eine Woche Urlaub zusätzlich, wenn ein Kind kommt, oder gar ein Papa-Monat: Das könnte den einen oder anderen Jungvater dazu motivieren, selbst in Karenz zu gehen.
"Wenn wir Frauen fördern wollen, müssen wir Männer dazu animieren, sich stärker an der Kinderbetreuung zu beteiligen und sie ebenso unterstützen", sagt der Wiener Unternehmensberater Peter Rieder. Maßnahmen zu verstärken, mit denen man Frauen- an Männerkarrieren anpassen kann - wie etwa längere Kindergartenöffnungszeiten - würden wenig bringen. Was hochqualifizierten Frauen wirklich helfe, sei eine gerechtere Verteilung der familiären Verpflichtungen.
Karrieremodelle hinterfragen
Frauenquoten seien ein gutes Mittel, um Druck aufzubauen, aber wirkungslos, wenn die in einem Unternehmen vorherrschenden Karrieremodelle nicht hinterfragt werden, meint Rieder. Dann passiere das, was in vielen Firmen zu beobachten sei: Dass nämlich jene Frauen in Führungspositionen gelangen, die das männliche Karrieremodell imitieren und sich am wenigsten anpassen müssen. Also jene, die keine Kinder haben und besonders viel arbeiten. Er kenne ein großes Unternehmen, in dem von 30 Abteilungen nur zwei von Frauen geleitet werden - beide kinderlos. Personalverantwortliche, die Frauen wirklich fördern wollen, sollten sich die Frage stellen, wie das vorherrschende Karriereverständnis Frauen daran hindere, sich für eine Führungsposition zu bewerben.
Noch ein wichtiges Thema: Weiterbildung. Wenn alle Kurse und Seminare auf Vollzeitkräfte zugeschnitten sind, geraten Teilzeitangestellte ins Hintertreffen - bekanntlich in der Mehrheit Frauen. Dabei ist im Gleichbehandlungsgesetz klar geregelt, dass Frauen nicht von Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen und Umschulungen ausgeschlossen werden dürfen. Die Gleichbehandlungskommission kennt den Fall eines Unternehmens - und es ist ziemlich sicher nicht das einzige -, das weiblichen Angestellten Fortbildungskurse gar nicht erst anbot, weil diese "aus familiären Gründen" ohnehin nicht interessiert seien, wie es hieß. Es ist auch nicht rechtens, wenn in Teilzeitkräfte Weiterbildungskurse ohne Entschädigung in ihrer Freizeit absolvieren müssen.
Doch immer mehr Unternehmen erkennen, dass sie es sich nicht leisten können, qualifizierte Mitarbeiterinnen in oder nach der Karenz zu verlieren und widmen dem Thema mehr Raum. Unternehmen sind gefordert, wenn es darum geht, Maßnahmen gegen Diskriminierung zu ergreifen. Das Gleichbehandlungsgebot besagt, dass niemand aufgrund von Geschlecht, Alter, ethnischer Zugehörigkeit, Religion oder Weltanschauung, sexueller Orientierung oder Behinderung - die sechs Kerndimensionen von Diversity - diskriminiert werden darf.
Rieder hat mit Mathias Cimzar und Sabine Caliskan ein "Diversity Planning Tool" entwickelt, mit dem in drei Schritten erste Ansätze für eine Diversitätsstrategie erarbeitet werden können. Das "ZukunftVielfalt"-Tool besteht aus 111 Karten, die Maßnahmen zu den sechs Kerndimensionen und zu vier übergeordneten Handlungsfeldern (Kommunikation/Information, Organisations-/Führungskultur, Personalmanagement und Qualifizierung) enthalten.
www.zukunftvielfalt.at