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Was für ein Glück

Von Brigitte Suchan

Reflexionen
© Corbis

Die Bücherregale sind voll mit Literatur, die Ratschläge für ein glückliches Leben erteilen. Glück oder Freude am Dasein wollen wir schließlich alle haben. Doch so einfach, wie manche Autoren suggerieren, ist die Sache dann doch nicht. Der Weg zu einem erfüllten Leben ist mit Herausforderungen gepflastert, weil das Glück eben kein Vogerl ist.


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Was Lebensfreude ist, muss jeder für sich beantworten. Für den einen ist es ein gelungenes Fest mit Freunden, für den anderen, am Marathon teilzunehmen. Lebensfreude hat nichts zu tun damit, dass man sich das Leben so leicht wie möglich macht. Den inneren Schweinehund zu überwinden, täglich und bei jedem Wetter zu trainieren mit dem Ziel vor Augen, an einem sportlichen Großereignis teilzunehmen - das ist nicht leicht und kann dennoch glücklich machen. Erfolge, die einem in den Schoß fallen, machen längst nicht so zufrieden wie jene, die man sich hart erarbeiten muss. Wer Herausforderungen annimmt, sich für Dinge engagiert, die ihm wichtig sind, kann aus dem daraus resultierenden Glücksempfinden Lebensfreude erreichen. "Freude ist ein angeborenes Gefühl, mit dem wir alle auf die Welt kommen", erklärt die Psychologin Dr. Julia Umek. "Jene Erfahrungen, die wir in den ersten sieben bis zehn Lebensjahren gemacht haben, prägen uns fürs ganze Leben. Wer das Glück hatte, in ein Elternhaus hineingeboren zu werden, in dem es viel Freude gab, wer sich also im Freude empfinden üben konnte, dem wird es auch später im Leben leicht fallen, sich zu freuen. Es sind Menschen, die sich über jede Kleinigkeit freuen können. Wir sind Gestalter unseres Lebens, auch dann, wenn unsere Kindheit wenig Freude geboten hat."

Das klassische Bild mit dem Glas, das entweder halbvoll oder halbleer gesehen werden kann, ist ein anschauliches Beispiel. Eine lebensbejahende Philosophie kann man lernen, denn, so Julia Umek: "Übung macht den Meister. Übe Dich in Freude empfinden. Wenn man sich übt im Grantigsein, wird mans auch können." Die Vorbildwirkung, die Eltern für ihre Kinder haben, wenn sie Freude empfinden und das auch zeigen können, sei nicht zu unterschätzen. Deshalb sei es so wichtig, jede Gelegenheit zu nützen, sich zu freuen und die Psychologin, die jeden Montag den Hörern von Radio Wien einfache Tipps zum Thema "Glücklich leben" gibt, nennt ein paar Beispiele, wie man sich in Freude empfinden üben kann: "Fragen Sie sich, ob es Ihnen Freude bereitet, anderen Freude zu bereiten. Die meisten Menschen werden das mit Ja beantworten. Fragen Sie sich dann, wem Sie heute eine Freude machen könnten und in weiterer Folge, wem Sie eine Freude machen könnten, ohne dass der/die Betreffende weiß, dass Sie das waren. Fragen Sie sich weiter, was Ihnen körperlich eine Freude bereiten könnte, also ein Spaziergang an der frischen Luft, Sport, usw. Fragen Sie sich, welche Werte Ihnen wichtig sind, Gesundheit etwa, und beleben Sie diesen Wert dann."

Die Ratschläge, die Julia Umek gibt, klingen verblüffend einfach und eigentlich wüsste jeder von uns, wie es ginge. "Nicht die Dinge beunruhigen die Menschen, sondern die Bedeutung, die wir ihnen geben", zitiert sie Epikur. Die Dinge von einer anderen Seite betrachten zu lernen, sei eine gute Methode, meint Umek, auch wenn es anfangs schwierig ist, die innere Einstellung zu verändern. Kognitive Umstrukturierung nennt man das in der Psychologie. Sie gibt ein Beispiel: Wenn man einen abgebrochenen Ast aus der Nähe fotografiert, sieht man nur die Bruchstelle und den zerstörten Teil des Baumes. Von weiter weg aufgenommen zeigt das Foto noch immer den abgebrochenen Ast, aber auch den intakten, gesunden Baum, von dem der Ast nur ein Teil ist.

Dass Glücklichsein erlernbar ist, beweist die Gehirnforschung. Alles, was man dazu beitragen muss ist, täglich dafür zu sorgen, einen Grund zur Freude zu haben. Der Rest funktioniert praktisch von selbst: Befindet sich ein Mensch in freudiger Stimmung, ist ein bestimmtes Areal im Gehirn, das sogenannte Belohnungszentrum, sehr aktiv. In einem Experiment konnte gezeigt werden, dass dieses Areal vernetzter war, wenn Testpersonen zwei Wochen lang täglich eine Stunde in sehr freudige Stimmung versetzt wurden. Die Verästelung der Neuronen hatte sich verdichtet.

Aber auch für negative Emotionen gibt es ein solches Zentrum - es liegt im Gehirn genau gegenüberliegend. Natürlich ist auch diese Region durch Training ausbaufähig - und genau das passiert bei vielen Menschen. Durch nörgeln, jammern und Probleme wälzen wird diese Region täglich trainiert. Je ausgeprägter die Region, umso schneller ist man in dieser Emotion. Wer sich also oft ärgert, bei dem genügt schon ein kleiner Aus-löser, dass sich der Ärger wieder einstellt, denn sein "Ärgerzentrum" ist gut trainiert.

Lebensfreude ist ansteck-

end. Wie man Lebensfreude zum Beruf machen kann, erzählt Pete Belcher dem "Wiener Journal". Der aus Großbritannien stammende Schauspieler hat gemeinsam mit Kollegen aus der Kleinkunstszene Wiens "erstbestes Clowntheater" gegründet. In der Baumanngasse 3 im dritten Bezirk haben sich sieben engagierte Künstler mit dem Theater Olé einen Traum erfüllt und im Kellerlokal des Gründerzeithauses eine Oase geschaffen, in der man "ein bisschen aussteigen kann aus der Welt" und für zweieinhalb Stunden eine Auszeit vom Alltag nimmt.

Die Clownfiguren, die hier jeden Abend Theater für Erwachsene machen, sind naive, warmherzige und liebenswürdige Figuren, die die Menschen einfach zum Lachen oder zum Schmunzeln bringen wollen. "Aber nicht das zynische Lachen, das man aus dem Kabarett kennt", beeilt sich Pete Belcher hinzuzufügen, "sondern jenes befreiende Lachen, wenn man sich selbst erkennt. Und wenn Clowns gut sind, dann gibts sehr viel Selbsterkennung. Und was noch ganz wichtig ist: Clowns zerbrechen nicht an ihren Fehlern. Jedes Scheitern macht sie noch liebenswürdiger."

Die begeisterten Einträge im Gäste-

buch sprechen Bände und Belcher ist nach über einem Jahr noch immer ein wenig verwundert über den Zustand der Beglückung, in den die Zuseher durch die Aufführungen geraten. Er erklärt sich das u.a. damit, dass sich die Liebe und die Freude, mit der die Truppe bei der Sache ist, auf das Publikum überträgt. "Es ist ein Kreis: Lebensfreude zu bereiten, spendet selbst Lebensfreude." Eine Erfahrung, die er auch in seiner Tätigkeit bei den "Roten Nasen" macht. Schon seit zwölf Jahren geht er in Spitäler und Pflegeheime, um in der Clownmaske Kinder oder demente Patienten abzulenken, sie auf andere Gedanken, zum Schmunzeln oder zum Lachen zu bringen, zu unterhalten. "Es geht dabei gar nicht um Mitleid", sagt Belcher, "sondern darum, ein wenig Freude in den Spitalsalltag zu bringen", und er erzählt, dass er nach so einem Einsatz ziemlich lange braucht, bis er wieder "herunterkommt". Jedes Mal nimmt er sich dann vor, auch in seinem privaten Umfeld ein bisschen mehr Freude zu verbreiten. "Es kostet ja nichts."

Julia Umek gibt in der Sendung "Glücklich leben" in Radio Wien am 17. 5. um 18 Uhr Tipps zum Thema Lebensfreude. Zum Nachhören gibts die Sendung als Podcast unter: wien.orf.at

Theater Olé

Baumanngasse 3, 1030 Wien

Karten: 0699/1881 1771

Spielplaninfo: www.theater-ole.at