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Was für eine Gesellschaft wollen wir?

Von Karlheinz Kopf

Gastkommentare

Was derzeit viel zu wenig diskutiert wird, ist die Frage, ob nicht gerade Präsenz- und Zivildienst jene Dienste an der Allgemeinheit sind, die unsere Gesellschaft inzwischen vielerorts schmerzlich vermisst.


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In der aktuell von der SPÖ gemeinsam mit einem kleinformatigen Boulevardblatt losgetretenen Debatte um die Abschaffung der Wehrpflicht geht es um weit mehr: Die Wehrpflicht stellt nicht nur die Funktionsfähigkeit des Bundesheeres bei der Erfüllung seiner vielen Aufgaben - von der Landesverteidigung über den Katastrophenschutz bis hin zu friedenssichernden Auslandseinsätzen - sicher, die Wehrpflicht stellt in Form des Zivildienstes auch für die vielen zivilen Hilfsorganisationen des Landes eine unverzichtbare Unterstützung dar. Der Präsenz-/Zivildienst ist aber vor allem die Erfüllung einer bürgergesellschaftlichen Pflicht in einer zunehmend entsolidarisierten, von Egoismen beherrschten Welt.

In der Sache selbst ist es ohnedies heftig umstritten, ob sich die heutigen Aufgaben auch ohne allgemeine Wehrpflicht und einige dieser Aufgaben sogar ohne das Bundesheer erledigen lassen. Von den Befürwortern dieser Theorie werden jedoch meist die Konsequenzen verschwiegen: Rekrutierungsschwierigkeiten bei den Berufssoldaten in Anzahl und Qualität, Konzentration auf einige wenige Funktionen und somit die erforderliche Einbindung in ein größeres Sicherheitsbündnis, Aufbau eines professionellen technischen Hilfsdienstes für den Katastrophenfall als Ergänzung zu den freiwillige Feuerwehren, tausende voll zu bezahlende Arbeitskräfte bei den Hilfsorganisationen. Insgesamt erhebliche Mehrkosten.

Was aber derzeit viel zu wenig diskutiert wird, ist die darüberliegende Frage, ob nicht gerade der Präsenzdienst und der alternative Zivildienst jene Dienste an der Allgemeinheit sind, die unsere Gesellschaft inzwischen vielerorts schmerzlich vermisst. Ist ein Dienst für das Gemeinwesen tatsächlich "Diebstahl von Lebenszeit", wie manche egozentrische Zyniker meinen? Wie qualifizieren diese Egomanen dann die Arbeit jener tausenden (überwiegend) Frauen und Männer, die entweder pflegebedürftige Familienmitglieder betreuen oder sich oft jahrzehntelang bei Hilfsorganisationen engagieren? Verschwenden diese Menschen in den Augen der "Anhänger einer Vollkaskogesellschaft" auch Lebenszeit?

Eine Gesellschaft, in der der Einzelne immer mehr Aufgaben des eigenen Verantwortungsbereiches an den Staat delegiert, bewirkt nicht nur aberwitzig hohe Steuern und Abgaben, eine solche Gesellschaft entsolidarisiert sich auch Schritt für Schritt. Die Fortführung eines vernünftig gestalteten Präsenzdienstes (oder dessen Ersatzdienst) ist daher neben einem Beitrag zur Kostenentlastung des Staates (und der sind wir ja bekanntlich alle) vor allem auch ein Beitrag zur Entwicklung von mehr Gemeinschaftssinn und Solidarität. Denn frei nach John F. Kennedy sollten wir uns viel öfter fragen, was wir für die Gemeinschaft tun können, statt umgekehrt.

Karlheinz Kopf ist Klubobmann der ÖVP. Jeden Dienstag lesen Sie an dieser Stelle den Kommentar eines Vertreters einer Parlamentspartei.

Der Kommentar gibt ausschließlich die Meinung des betreffenden Autors wieder und muss sich nicht mit jener der Redaktion der "Wiener Zeitung" decken.