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Was genau vertritt Obama?

Von David Ignatius

Analysen
Der Autor war Chefredakteur der "International Herald Tribune". Seine Kolumne erscheint auch in der "Washington Post".

Kann der Präsidentschaftskandidat der US-Demokraten den intellektuellen Funken finden, der ihn zu einem Präsidenten des Wandels machen könnte? Es ist ein vielsagendes Zeichen, dass Barack Obama, gleich nachdem er den Vorwahlkampf in der Demokratischen Partei für sich entschieden hatte, einen Fachmann für Wirtschaftspolitik engagiert hat. Jemanden, der ihm hilft, von der Anti-Nafta-Linken der Partei wegzukommen, hin zur Pro-Markt-Mitte, die auf zwei Finanzminister der Regierung Bill Clinton zurückgeht: Robert Rubin und Lawrence Summers.


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Der neue Wirtschaftsberater Obamas ist Jason Furman, der Leiter des Hamilton-Projekts in der von Rubin geförderten Brookings Institution. Obama wolle einen "ehrlichen Makler", der zu einer umfassenden Debatte über Wirtschaftspolitik ermutigen könne, sagte mir Furman nach seinem ersten Tag unterwegs mit dem designierten demokratischen Präsidentschaftskandidaten.

Furman ins Team zu holen, passt zu Obama. Es ist ein Zeichen, dass er seine Wirtschaftspolitik konsensorientiert anlegt. Er will Brücken bauen - als ein Präsident, der überparteilich regiert. Und es ist ein Zeichen, dass Obamas Politik auch das im Englischen sprichwörtliche "Facing the Music" umfasst (das Auslöffeln der Suppe), wie der Titel eines Brooking-Berichts über das Reparieren der während der Bush-Regierung entstandenen finanziellen Schäden lautet.

Nur: Wird Obamas Wirtschaftspolitik auch aufregend und visionär sein? Wird sie der Sehnsucht der US-Bürger nach gründlicher Veränderung entsprechen? Das ist eine viel schwierigere Frage und sie führt zu einem der heikelsten Probleme Obamas: Kann ein Kandidat, der ein so breites Spektrum an Unterstützern um sich geschart hat, nun auch noch den intellektuellen Funken finden, der ihn zu einem Präsidenten des Wandels machen könnte? Was genau vertritt Obama, wofür tritt er ein - abgesehen vom allgemeinen Begriff "Change"?

Die Präsidentschaft Ronald Reagans war wirkungsvoll, weil sie von neuen Ideen angetrieben wurde, und das kann man auch von der Präsidentschaft Bill Clintons sagen. Aber sollte es eine Obama-Revolution geben: Was wäre ihre transformierende Vision für der Wirtschaft? Ein Wirtschaftsprogramm, das sich darauf konzentriert, das Chaos der Bush-Regierung zu reparieren, mag nötig sein, den USA neue Energie verleihen wird es jedoch nicht.

Obamas Chance ist außergewöhnlich: Sollte er die Wahl im November gewinnen, könnte er sein Amt mit einer beträchtlichen Mehrheit im US-Senat und im Repräsentantenhaus antreten. Das würde ihm Möglichkeiten eröffnen, wie sie kaum jemand seit dem Erdrutschsieg von Lyndon Johnson 1964 hatte.

Fragt man führende Mitarbeiter aus dem Team Obamas, wie sie diese Gelegenheit nutzen würden, um die Innenpolitik der USA neu zu gestalten, bekommt man immer die gleichen, vorgefertigten Antworten: Man werde sich auf das Gesundheitswesen konzentrieren, auf die Energiepolitik und die Steuerreform. Das Problem: Diese Phrasen sind nach dem langen Vorwahlkampf durch ständiges Wiederholen arg abgenützt. Obama wird das Kunststück zusammenbringen müssen, diese Themen wieder neu und inspirierend klingen zu lassen - über die nötigen Reparaturarbeiten hinaus.

Um das zu bewerkstelligen, hat Obama Rahm Emanuel engagiert, den besten Ideenverpacker, den die Demokraten haben. Emanuel soll den Themen Gesundheit, Energie und Steuer ein neues Kleid verpassen, sie alle in einen neuen Gesellschaftsvertrag umwandeln, der ins Zeitalter der Globalisierung passt.

Das ist nun die Herausforderung für die Demokraten: Sie haben den Kandidaten - aber haben sie auch die Ideen?

Übersetzung: Redaktion

briefausdenusa@wienerzeitung.at