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Um wirtschaftspolitische Entscheidungen zu treffen, braucht es die Einbeziehung von Experten.
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Der Alfred-Nobel-Gedächtnispreis für Wirtschaftswissenschaften ging 2020 an Paul Milgrom und Robert Wilson. Somit wurden zwei Spieltheoretiker geehrt, deren Arbeiten zur Entwicklung der Auktionstheorie geführt haben. Das ist übrigens nicht der erste Preis für dieses Forschungsfeld: So wurde bereits im Jahr 1996 William Vickrey ausgezeichnet, dessen Arbeiten von Milgrom und Wilson weiterentwickelt wurden. Nun macht man der Wirtschaftsforschung gerne den Vorwurf, wenig praxisrelevant zu sein. Milgom und Wilson beweisen aber das Gegenteil.
Auktionen werden nicht nur auf eBay für den Verkauf gebrauchter Babysachen angewandt, sondern gelegentlich von Regierungen, um Lizenzen zu versteigern. Eine bekannte Reihe an öffentlichen Auktionen fand Anfang der 2000er Jahre statt, als verschiedene europäische Länder 3G-Frequenzen an Telekomfirmen verkauften. So auch in Österreich. Einige Länder, darunter das Vereinigte Königreich und Deutschland, haben durch ein überlegtes Design sehr hohe Einnahmen generiert. In Österreich war das Gegenteil der Fall.
Das Desaster ereignete sich folgendermaßen: Für sechs Telekomunternehmen kamen zwölf Frequenzen zur Versteigerung. Jeder Anbieter brauchte also mindestens zwei Frequenzbänder. Man muss keinen Nobelpreis gewonnen haben, um zu erkennen, dass es in einer solchen Situation zu Preisabsprachen kommen kann. Und das ist auch passiert: Wettbewerber haben zu einem möglichst niedrigen Preis jeweils zwei Frequenzen erworben. Die Einnahmen für den Staat betrugen 100 Euro pro Kopf, verglichen mit 650 Euro in Großbritannien und 615 Euro in Deutschland. Das hätte dann anstatt 700 Millionen Euro knapp 4 Milliarden Euro für die Staatskassa bedeutet.
Darüber hinaus muss man davon ausgehen, dass ohne einer Absprache der Markt danach konsumentenfreundlicher geworden wäre.
Was lässt sich aus dieser Geschichte lernen? Erstens: Themen, die theoretisch und sehr kompliziert wirken und von den Kritikern gern unter "zu viel Mathematik" zusammengefasst werden, sind oft von Bedeutung und gesellschaftlicher Relevanz. Zweitens: Um wirtschaftspolitische Entscheidungen vernünftig treffen zu können, braucht es die Einbeziehung von Experten.
Auch ein Beispiel aus der jüngsten Vergangenheit zeigt, wie man ein Pilotprojekt (nicht) durchführen sollte: Aus der jüngsten IHS-Evaluierung der "Aktion 20.000" geht hervor, dass es faktisch nicht möglich ist, diese sauber zu evaluieren, denn die Teilnehmer unterscheiden sich zu stark von der Vergleichsgruppe. Hier hätten sich die Entscheidungsträger an den Arbeiten der vorjährigen Nobel-Preisträgerin Esther Duflo orientieren können und das Projekt als sogenannte "randomisierte Studie" laufen lassen. Dann wären die Teilnehmer nach dem Zufallsprinzip ausgewählt worden, so wie in anderen Ländern. Die Aktion hätte dann auch evaluiert werden können. Das wäre ein Gewinn für Wissenschaft und Gesellschaft, die sich auf fundierte wirtschaftspolitische Entscheidungen verlassen könnte.
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