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"Was haben Sie mit Kosovo zu tun?"

Von WZ-Korrespondentin Marijana Miljkovic

Politik

Erster Belgrad-Besuch eines albanischen Staatsmannes seit Diktator Enver Hoxha.


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Belgrad/Tirana. Wenn man eine unterkühlte Begegnung beschreiben müsste, dann wäre es der Besuch von Albaniens Premier Edi Rama bei seinem serbischen Gastgeber Aleksandar Vucic am Montagin Belgrad. Betont distanziert gaben sich die beiden Politiker während des gesamten Besuchs, der im Vorfeld als "historisch" eingestuft worden war. Zuletzt hatte 1946 ein albanischer Staatsmann, damals Albaniens Diktator Enver Hoxha, Belgrad besucht.

Zur Nervosität und einer unangenehm angespannten Pressekonferenz beigetragen hatte ein undiplomatischer Edi Rama. "Der Kosovo ist unabhängig und wurde von 108 Staaten anerkannt, das sind Tatsachen", sagte der albanische Regierungschef, worauf Vucic die Fassung verlor. Eine solche Provokation habe er von einem Gast nicht erwartet, konterte sein serbischer Amtskollege sichtbar erbost. "Ich werde nicht zulassen, dass Serbien mitten in Belgrad erniedrigt wird." "Was haben Sie mit dem Kosovo zu tun?", fragte er Rama schließlich.

Serbiens Ex-Provinz Kosovo, in der mehrheitlich Albaner leben, hatte sich 2008 mithilfe der EU und USA für unabhängig erklärt. Serbien, das 1999 mit dem Kosovo Krieg geführt hatte, hatte diesen Schritt nicht anerkannt, aber im Lauf der vergangenen zwei Jahre einem von der EU moderierten Annäherungsprozess zugestimmt. Der Lohn für ein Abkommen der zwei Länder war die Aufnahme der EU-Beitrittsgespräche mit Serbien.

EM-Skandal

Die Beziehungen zwischen Albanien und Serbien waren in den vergangenen Jahren eher unauffällig, sie dürften nach dem missglückten gemeinsamen Auftritt von Rama und Vucic aber mehr gelitten als gewonnen haben. Obwohl sowohl Rama als auch Vucic eine gemeinsame europäische Zukunft beschworen, für die man die Vergangenheit ruhen lassen solle, war von einer Annäherung wenig zu spüren. Vucic nahm eine Einladung nach Tirana aber offiziell dennoch an.

Der Aufenthalt des albanischen Premiers stand bereits im Schatten eines Skandals, nachdem beim EM-Qualifikationsspiel zwischen Albanien und Serbien im Oktober in Belgrad die Flagge eines fiktiven Großalbaniens über dem Spielfeld erschien. Sie war auf einer Drohne befestigt. Die Provokateure sind noch immer nicht ausgeforscht, hatten aber reichlich für Tumult auf dem Spielfeld gesorgt. Das Spiel musste abgebrochen werden, der für Ende Oktober geplante Besuch Ramas wurde verschoben.

Die eigentlichen Themen des Besuchs, die wirtschaftliche Zusammenarbeit der beiden Länder, gerieten angesichts der Kosovo-Frage ins Hintertreffen. In einem Vier-Augen-Gespräch hatten die Ministerpräsidenten vereinbart, gemeinsame Infrastrukturprojekte zu fördern, für die sie auch Hilfe von der EU erwarten. Dazu gehört etwa die Eisenbahnverbindung Belgrad-Tirana, mit der man gemeinsam beim europäischen Geldgeber vorstellig werden will.

Rama will am Dienstag auch Presevo besuchen, eine Stadt an der Grenze zum Kosovo, in der die albanische Minderheit in Serbien lebt. Auch das wird in Serbien argwöhnisch verfolgt. Die dortigen politischen Vertreter hatten im Vorfeld angekündigt, Rama als "ihren Premier" empfangen zu wollen. Darauf angesprochen sagte der Serbiens Premier in einem genervten Ton: "Solchen Unsinn kommentiere ich nicht."

Gleichzeitig tauchten am Montag im Norden Kosovos Plakate mit Vucics Konterfei auf, die den Premier feierten. In Kosovska Mitrovica, der von einer serbischen Minderheit bewohnten Stadt, kam es wegen der Aussagen Ramas am Nachmittag auch zu einem kleinen Protest.

Regierungskrise im Kosovo

Das offizielle Prishtina steckt derweil in Schwierigkeiten. Fünf Monate nach den Parlamentswahlen hat der Kosovo noch immer keine Regierung. Das bringt die Stabilität des jüngsten Land Europas in Gefahr, weil für das kommende Jahr kein Budget beschlossen wurde. Der scheidende Premier und Wahlsieger Hashim Thaci aber bringt keine Mehrheit zusammen. Thacis Demokratische Partei (PDK) kommt nur auf 37 von 120 Parlamentssitzen. Jetzt ist im Kosovo von Neuwahlen die Rede, die nach Ansicht von Experten aber keine Änderung bringen wird. "Der Kosovo verliert jegliche Ähnlichkeit mit einem normalen Staat und ist langsam auf dem Weg, ein gescheiterter Staat zu werden", sagte ein kosovarischer Analyst der Agentur AFP. Andrea Lorenzo Capussela, der ehemalige wirtschaftliche Leiter des International Civilian Office im Kosovo stimmt der Kritik zu. "Der Kosovo kann es sich nicht leisten, nicht regiert zu werden. Für Investoren ist es ein ganz schlechtes Signal", sagt Capussela der "Wiener Zeitung". Die internationale Gemeinschaft verliert langsam die Geduld mit den Lokalpolitikern. "Vermasselt es ja nicht", sagte US-Botschafterin Tracey Jacobson am Rande einer Konferenz. Die Gefahr ist groß, dass der Kosovo Hilfe in Form von ausländischen Einflüsterern brauchen wird, um doch zu einer Regierung zu kommen.