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EU-Kommission drängt Hersteller von Telefonen zu rascher Markteinführung. | In Österreich gibt es 20.000 Normen, die meisten sind europäische. | Brüssel/Wien. Der Kabelsalat hat ein Ende. Zumindest in absehbarer Zeit. Denn seit Dienstag gibt es ein europaweit einheitliches Ladegerät für Handys das innerhalb der kommenden Monate auch im Handel erhältlich sein soll. | Normen machen die Welt praktischer
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Begonnen hat die Debatte im Jahr 2009: Der damalige Industriekommissar Günter Verheugen erteilte den Herstellern mit den Worten "meine Geduld ist zu Ende" einen Auftrag, die Ladegeräte zu normieren. Nun haben sich 14 Hersteller - darunter die Riesen Apple, Nokia, Samsung und Sony Ericsson - auf eine gemeinsame Norm geeinigt. Künftig können alle datenfähigen Handys - Smartphones, aber auch alle anderen Mobiltelefone, die Daten wie Fotos oder Musik speichern können - über einen Mikro-USB-Stecker aufgeladen werden. Mit der neuen Norm seien bis zu 95 Prozent der rund 500 Millionen in den 27 EU-Mitgliedstaaten genutzten Handys abgedeckt, erklärt Alexandra Jour-Schröder von der Europäischen Kommission der "Wiener Zeitung".
Antonio Tajani, der für Industriepolitik zuständige Vizepräsident der Kommission und Verheugens Nachfolger, appellierte "an die Industrie, die Markteinführung zu beschleunigen".
Allerdings ist kein Unternehmen dazu verpflichtet, eine EU-Norm - oder auch das österreichische Pendant, die Önorm - anzuwenden. "Alle Normen sind freiwillig", erklärt Jour-Schröder dazu. Allerdings würden 99 Prozent der Unternehmen die Normen anwenden. Neben der Verlässlichkeit für den Konsumenten haben sie einen leichteren Marktzugang und Chancengleichheit der Firmen zum Ziel. Es gehe "nicht darum, das Produkt so weit einzuschränken, dass nichts mehr davon überbleibt", betont Regina Slameczka vom Österreichischen Normungsinstitut.
EU-Norm mussübernommen werden
Wird eine EU-Norm erstellt, muss diese in das nationale Regelwerk übernommen werden. In Österreich gibt es rund 20.000 Normen - gut drei Viertel davon sind mittlerweile EU-Normen.
Auch diese Normen sind in Österreich nicht verpflichtend, wie Slameczka erklärt. Erfüllt werden muss eine Norm nur dann, wenn dies in einem Gesetz verankert ist - beispielsweise müssen die Auto-Warnwesten einer bestimmten Norm entsprechen.
Generell sind "viele Dinge des täglichen Lebens genormt, ohne dass wir uns dessen bewusst sind", meint Slameczka. So gibt es Normen für die Standfestigkeit eines Bettrahmens und die Dauerhaftigkeit einer Matratze. Dass das Papier in den Drucker passt, verdanken wir ebenso einer europäischen Norm wie den Umstand, dass eine Zahnbürste ihre Borsten nicht verliert. Genormt ist auch die Qualität von Lebensmitteln wie dem Kaffee.
Neben den europäischen Normen gibt es in den einzelnen Staaten spezifische Normen, die andere Länder eher weniger interessieren: In Österreich sind beispielsweise Katzenstreu und Schneeketten genormt. In Irland wiederum - wo auch sonst? - gibt es eine eigene Norm für Whiskey.
Die immer wieder gerne im Zusammenhang mit der angeblichen Überregulierung durch die EU erwähnte vorgeschriebene Gurkenkrümmung war übrigens keine Norm: Es handelte sich dabei um eine Marktverordnung, die mit 1. Juli 2009 gestrichen wurde.
Entwickelt werden die Normen von technischen Komitees, die mit Vertretern der Normungsinstitute der einzelnen Staaten und der Industrie besetzt sind.
Ringen um Interessen der Konsumenten
Die Interessen der Konsumenten in dieser Phase vertritt die Anec ("European Association for the Co-ordination of Consumer Representation in Standardisation"). Früher sei bei Normungen oft auf die Interessen der besonders verletzlichen Verbrauchergruppen vergessen worden, meint Anec-Generalsekretär Stephen Russell dazu.
Beispielsweise ging man bei der Normung von elektronischen Haushaltsgeräten davon aus, dass Kinder, ältere oder behinderte Menschen diese nur unter Aufsicht benutzen. Die Außentür eines Backrohrs durfte früher so heiß werden, dass sich etwa alte Menschen mit verzögerter Reaktion leicht daran verbrennen konnten. "Das ist schwer diskriminierend", meint Russell zur "Wiener Zeitung". Die Anec sorge daher dafür, dass bei Normungen auf alle Verbraucher Rücksicht genommen wird.
Wissen: Normen
Normen werden nicht von der Politik erstellt, sondern von Gremien in Normungsinstituten. Diese Gremien sind von Vertretern der Wissenschaft, der Wirtschaft, der Behörden und der Konsumenten besetzt. Jedes Land hat sein eigenes Normungsinstitut. Darüber hinaus gibt es drei europäische und drei internationale Normungsinstitute.
* In Österreich ist das Austrian Standards Institute (ASI) für Normungen zuständig. Diese sind dann erkennbar an der Bezeichnung Önorm. Normen, die die Elektrotechnik betreffen, trugen vor dem 1. Jänner 1999 die Bezeichnung ÖVE EN, seither ÖVE/Önorm EN. Önorm EN ist die Bezeichnung für eine übernommene europäische Norm.
* Auf europäischer Ebene ist das Europäische Komitee für Normung (CEN) für alle Normen mit Ausnahme jener für Elektortechnik und Telekommunikation zuständig. Diese Aufgabe erledigen das Cenelec (Europäisches Komitee für elektrotechnische Normung) und das ETSI (European Telecommunications Standards Institute).
* Darüber hinaus gibt es die International Organisation for Standardisation (ISO). Wird eine ISO-Norm in Österreich übernommen, lautet die Kennzeichnung entsprechend "Önorm ISO". Europäische Normen müssen in das österreichische Regelwerk übernommen werden, die Übernahme der ISO-Normen erfolgt freiwillig.
Neben den Normen gibt es eine Kennzeichnung von Waren mit dem Kürzel "CE". Dies ist eine Selbsterklärung der Hersteller, dass ihr Produkt nach allen anwendbaren Normen hergestellt ist. Für den Verbraucher gibt es aber - anders als bei Normen - keine Garantie, dass der Hersteller die Wahrheit angibt.