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Was hat uns Facebook doch alles gebracht

Von Gregor Kucera

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Das soziale Netzwerk hat Vieles verändert, manches verbessert und wirft doch immer wieder neue Fragen auf.


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Vor zehn Jahren startete die Erfolgsgeschichte von Facebook. Am 4. Februar 2004 erblickte das soziale Netzwerk das Licht der Welt. Mark Zuckerberg und Co. sei Dank. Zum Jubiläum ist es an der Zeit für eine Reise durch die wundersame virtuelle Welt.

Was wäre die Welt ohne Facebook? Eine schwierige Frage. Vermutlich würde sie sich weiterdrehen. Tag und Nacht gäbe es immer noch, vielleicht hätte man mehr Zeit. Oder aber ein anderes Netzwerk würde das Leben bereichern oder Lebenszeit verschwenden – wie immer man es sieht.

Von Farmen und Freunden
Ohne Facebook würde kein Mensch Farmville kennen. Viele würden sich durch die andauernden Einladungen nicht genervt fühlen. Andere hätten ihre Frei- und Arbeitszeit anders nutzen müssen. Stadtmenschen hätten nie erfahren, was es heißt, bunte Einhörner auf einem Acker herumstehen zu sehen. Mafia Wars, Candy Crush und Co. – ach wie fad wäre das Leben.

Es hätte vermutlich viel länger gedauert, bis die Welt erkannt hätte, dass ein US-amerikanischer Konzern mit den Daten seiner AnwenderInnen machen kann, was er will. Weit weg vom europäischen Datenschutz. Wer wusste denn davor schon, dass Facebook in Irland seine Europa-Niederlassung hat?  Es ist auch klar, dass das soziale Netzwerk machen kann, was es will. Einmal so, einmal so. Heute große Bilder, morgen kleine – dazwischen eine Timeline. Keine Werbung, dann Werbung. Man muss es ja nicht nutzen. Aber was passiert mit den vielen Fotos?

Das "Like" und die innere Leere
Das "Like" oder "Gefällt mir". Ja, das hat Facebook gebracht. Die digitale Währung. Die Wertschätzung, Anerkennung, Anteilnahme. Ohne den "Daumen nach oben" geht nichts. Der Wettlauf um die meisten "Likes". Das Bedürfnis danach. Die innere Leere ohne. Die virtuelle Zustimmung als Ausdruck der Verbundenheit.

Ach ja, und Freunde. Freunde hat Facebook auch gebracht. Hunderte. Tausende. Menschen, die man lange nicht gesehen hat. Ehemalige Schul- und ArbeitskollegInnen, die verstreut rund um die Welt nun doch ein Teil des eigenen Lebens sind – und umgekehrt. Überall ist man dabei und muss dafür gar nichts Großartiges tun. Man weiß, was sie letzten Sommer gemacht haben und wo und erst recht mit wem. Die Fotos vom Essen. Unglaublich. Das viele Essen. Dabei wollte man es doch gar nicht wissen. Wollte man nicht mit den Freunden mal essen gehen?

Nun gehen sie essen und man darf zuschauen. Man sieht Orte, an die man nicht mehr reisen muss, weil man Alles schon kennt. Man lernt sich besser kennen. Die einen heiraten, bekommen Kinder, haben Haustiere. Ja, die lieben Kinder und Tiere. So viele Tiere und Kinder. Facebook zeigt was die anderen mögen und man selbst auch mögen sollte. Von vielen Mitmenschen will man das gar nicht wissen. Aber man erfährt es. Wer sich trennt, wer sich scheiden ließ, wer sich wann "entfreundet" hat. 2008 noch mit einem anderen Partner zusammen, schön abgelichtet, lachend in der Timeline, aber wenigstens ist man 2014 im gleichen Hotel abgestiegen. War ja schon mit dem Partner davor ein "Gefällt mir"-Bringer.

Die "Neue Post" für Normalsterbliche
Der Wissensdurst und die Neugier werden gestillt – die "Neue Post" für Normalsterbliche. Hin und wieder angereichert mit Meldungen über Prominente. Zitate, Geburtstage und Todesmeldungen. Gefällt mir. Bringt Abwechslung ins Leben und kluge Sinnsprüche für jeden Anlass.

Viele Menschen hätte man gar nicht kennengelernt. Man würde nie auch nur eine Sekunde in der realen Welt mit ihnen an einem Tisch sitzen wollen, aber in der virtuellen geht es schon. Man muss ja nicht, man kann. Und man erfährt doch so viel. Und trotz der hunderten "Freunde" kann man am Samstagabend alleine vor einem Glas irgendwas sitzen und sich einsam fühlen. Aber das "Einsamfühlen" kann man teilen und bekommt "Likes". Die Mitleids-Likes. Mittendrin und doch nicht dabei. Die Freunde teilen sich auf: in jene, die auf Facebook sind und jene, die Facebook meiden. Die echten Freunde sieht man dennoch noch in der realen Welt.

Aber auch viele Nachrichten hätte man niemals erfahren. Aber auf Facebook kommen sie. Manchmal hundert Mal hintereinander – immer mit den gleichen Links auf dieselben Seiten. Die stille Post ist virtuell manchmal zu laut. Lasst uns Tiere retten – oder gleich die Welt, Kinder suchen, ein Zeichen gegen Gewalt setzen. Interessant welche Gräben sich manchmal auftun. Wenn man zu viel über die Vorlieben und Einstellungen seiner "Freunde" erfährt.

Was wäre die Diskussionskultur ohne Facebook? Da kann man stundenlang in den Kommentaren lesen, was in der echten Welt da draußen niemand hören will. Natürlich manches scheint im rechtlichen Graubereich, anderes hat ihn überschritten. Manchmal löscht man Kommentare ja auch, wenn man darauf hingewiesen wird. Am besten schnell entfreunden. Oder man bleibt in seiner Gruppe. Schön zu wissen, dass andere Menschen auch so denken. Da muss man sich nicht mit neuen Ideen beschäftigen. Facebook öffnet die Welt, wenn man will. Oder aber, es macht sie klein, lässt sie beengt. Und den Umgang mit den neuen Möglichkeiten muss der Mensch erst lernen und für sich sinnvoll nutzen.


Facebook ist die virtuelle Bestätigung für Platons Höhlengleichnis. Die Schatten des wahren Lebens werden vor einem herumgetragen und man kann wunderbar mit ihnen leben. Es gab eine Phase, da war es undenkbar auf Facebook zu fehlen, dann war es en vogue Facebook zu verlassen oder cool gar nicht dabei zu sein. Will man wirklich einer Gruppe angehören, die einen als Mitglied aufnimmt? Oder ist es schlimmer, gar nicht erst in die Gruppe zu kommen?
Unternehmen, ebenso wie Medien, haben Facebook als weiteren Verbreitungskanal ihrer Botschaften und Artikel erkannt. Facebook als Plattform, als Stimmungs- und Meinungsbarometer. Auch mit zielgruppengerechter Werbemöglichkeit.

Wer Begriffe wie "Shitstorm" und dessen positiven Bruder, den "Candystorm" nicht kennt, hat die Höhen und Tiefen in sozialen Netzwerken nicht erlebt. Längst bringt ein Kommentar in den sozialen Netzwerken mehr als unzählige Anrufe im Callcenter. Schön, wenn man mit seinen Kunden und Konsumenten so nahe und per Du ist.

Ach ja, was hat uns Facebook nicht alles gebracht. Ob es in zehn Jahren noch genauso sein wird? Die Zeit vergeht schnell in den virtuellen Welten, die Konkurrenz schläft nicht. Derzeit lässt sich fleißig twittern. Wie immer man auch zu Facebook stehen mag, es hat Vieles verändert. Und immerhin hat es einigen Menschen ein großes Vermögen gebracht. Das ist sicher.