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Was hebt den Neos eigentlich die Flügel?

Von Christian Ortner

Gastkommentare
Christian Ortner.

Die ÖVP hofft, die Neos würden wie einst das Liberale Forum einfach verschwinden. Das zeugt von überschaubarem Gespür für die Wirklichkeit.


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Werner Fasslabend, einst Verteidigungsminister der Republik und derzeit Leiter der ÖVP-Kaderschmiede "Politische Akademie", formulierte dieser Tage eine bemerkenswerte Prognose: "Vor den Neos würde ich mich nicht fürchten. Das ist ein momentanes Phänomen, wie es auch das Team Stronach war. Sie sind ideologisch nahe am Liberalen Forum, und es wird ihnen gleich ergehen. Die Neos werden wieder verschwinden." Der pinken Truppe fehle es nämlich "sowohl inhaltlich als auch personell an Substanz".

Mit dieser mutigen Prognose empfiehlt er sich zwar für die Position des Optimismusbeauftragten in der ÖVP, ihm droht aber zugleich ein Schicksal als deren "Comical Ali" - in Anlehnung an den legendären irakischen Propagandaminister Muhammad as-Sahhaf, der in einer Pressekonferenz noch Durchhalteparolen ausgab, als im Hintergrund schon US-Artillerie zu hören war. Denn derzeit sieht es eher aus, als würden die Neos die ÖVP überleben.

Nun ist es zwar nicht unoriginell, wenn der Vertreter einer Partei, die Titanen wie Fritz Neugebauer, Johanna Mikl-Leitner oder Günter Platter hervorgebracht hat, den Neos mangelnde personelle Substanz zuordnet - trotzdem stellt sich angesichts des verblüffenden Aufstiegs der neuen Partei schon die Frage, was sie eigentlich kann, was andere nicht können.

Zu vermuten ist, dass die Truppe um den Parteigründer Matthias Strolz geschafft hat, eine bisher von allen bestehenden Parteien vernachlässigte soziale Schicht zu erschließen: im weitesten Sinne modern-bürgerliche Menschen, denen die katholisch grundierte, auf die Interessen von Beamten, Bauern und Angestellten fokussierte ÖVP fremd (geworden) ist; denen die Grünen mit ihrer Verbotsfixiertheit und ihrer latenten Neigung zur Technologie- und Fortschrittsfeindlichkeit nicht taugen; und die nicht einmal mit einer Kluppe auf der Nase die FPÖ wählen könnten. Daran wird sich in überschaubarer Zukunft wohl nichts ändern, weshalb Fasslabends Prognose vom Ableben der Neos eher wirklichkeitsfremd erscheint.

In einer gewissen Weise kann man also den Erfolg der Neos durchaus auch als Immunreaktion des politischen Systems auf Dysfunktionalitäten des Marktes der politischen Meinungen beschreiben: Eine Nachfrage hat sich gleichsam ein Angebot gesucht und gefunden.

Dass Fasslabend den Neos mangelnde "personelle Substanz" vorhält, sagt wohl mehr über die Welt des langjährigen Berufspolitikers und seinesgleichen aus als über den neuen Mitbewerber. Denn diese vermeintliche "personelle Substanz" der traditionellen Parteien kommt in der Praxis meist als jener marketinggetriebene glatte Politikertyp daher, den der Wähler schon ziemlich satt hat. Dass die meisten Politiker der Neos nicht (oder noch nicht) wie Politiker erscheinen, sondern wie Bürger, die in die Politik gegangen sind, ist ein zweiter Grund für den Erfolg der Pinken.

Es bleibt der ÖVP natürlich unbenommen, ganz, ganz fest zu glauben, die Neos würden bald "wieder verschwinden" (wie Fasslabend sagte). Geholfen hat das Wegwünschen von Problemen erfahrungsgemäß freilich eher selten.

ortner@wienerzeitung.at