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Was heißt es, Probleme mit Migranten zu benennen?

Von Isolde Charim

Gastkommentare
Isolde Charim ist Philosophin und Publizistin und arbeitet als wissenschaftliche Kuratorin am Kreisky Forum in Wien. Foto: Daniel Novotny

Eine Lanze für AMS-Chef Johannes Kopf.


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Next Stop: AMS. Erst der ORF - da war es bislang nur eine Vorwarnung. Dann das BVT - da waren die Geschütze schon deutlich schärfer. Und nun ist die Regierung beim Arbeitsmarktservice (AMS) angelangt. Hier zeigt sich die gesamte Diskursanordnung in Reinform.

In Bezug auf den sensibelsten gesellschaftlichen Bereich der Migranten und Asylanten sieht die Anordnung bekanntlich so aus: Da gibt es jene, die all das mit den Ausländern schlecht finden. Und jene, die das in Ordnung finden. Rechts und links ist da eine gängige aber wenig treffsichere Kategorisierung. Diese Aufstellung bedeutet nicht nur eine Polarisierung der Gesellschaft, sondern auch eine massive Verhinderung. Der springende Punkt ist dabei der Umgang mit Problemen: Probleme von und mit Migranten. So werfen etwa die Rechten den Linken - oder den Pappkameraden, die sie dafür halten - vor, diese Probleme nicht zu sehen, unter den Teppich kehren zu wollen, zu verschweigen. Ihre Forderung lautet also: Gebt zu, dass es Probleme gibt! Benennt diese Probleme!

Einmal abgesehen davon, dass nicht einmal das eingefleischteste Klischee eines linksgrünen Gutmenschen meinen würde, eine so massive Veränderung wie jene der Pluralisierung würde problemfrei über die Bühne gehen - abgesehen davon: Was heißt es, die Probleme zu benennen?

Heißt es zugeben, dass es Probleme bei der Integration gibt - und dann nach möglichen Lösungen zu suchen? Oder wird es nicht vielmehr ins Gegenteil verkehrt? Soll das Benennen der Probleme nicht vielmehr den Beleg liefern, dass es keine Lösungen gibt? Keine außer der Maximallösung (die zugleich die Maximalillusion ist), die da lautet: Wenn die alle weg wären, wäre alles gut. Wie kann man Probleme der Integration benennen, wenn jedes "Zugeben" als Eingeständnis für ein Nichtfunktionieren genommen wird? Der interne AMS-Bericht vom Sommer 2017, der ausgerechnet jetzt den entsprechenden Medien zugespielt wurde, wird triumphierend als Beleg genommen - nicht nur fürs Versagen des AMS, sondern auch für die Unmöglichkeit von Zusammenleben, von Integration.

AMS-Chef Kopf - der als ÖVPler übrigens zeigt, dass es hier nicht einfach um einen Rechts-links-Konflikt geht - ist dem Benennen von Problemen im engeren, im eigentlichen, im pragmatischen Sinn gefolgt: als Hinschauen auf die Schwierigkeiten, um dann Auswege oder einen Umgang damit zu suchen. Im AMS kreuzen sich ökonomische mit kulturellen und sozialen Differenzen. Hier verzahnen sich kulturelle mit wirtschaftlichen Problemen - Probleme aufseiten der AMS-Klienten und Probleme aufseiten der AMS-Mitarbeiter. Es gilt wohl für alle, wenn der Bericht meint, es sei schwierig, zwischen Wahrnehmungen und Vorurteilen zu unterscheiden. Gerade dieser Bericht zeigt die Effizienz des AMS - weil er gegen die Polarisierung, gegen die ideologische Aufladung des Themas einen pragmatischen Zugang sucht.

Und genau das wird nun gegen Kopf, gegen das AMS verwendet. Es ist eine mediale Inszenierung von Unmöglichkeit: von Integration, von Lösungen, von Pragmatismus. Der von der Regierung geschürte Alarmismus in dieser Causa trägt nicht nur nichts zur Lösung bei. Er verhindert diese vielmehr gezielt.