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Was hilft gegen die Wut?

Von Walter Hämmerle

Leitartikel
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Schadensbegrenzung lautet das politische Motto der Stunde. Ganz oben, in Brüssel, geben die Technokraten kühl und berechnend den Ton an; am Donnerstag haben sich hier Vertreter von Kommission, Parlament und Mitgliedsstaaten auf einen Kompromiss zur Bankenunion geeinigt, auf dass so schnell nicht wieder ("niemals wieder" ist ein zu großes Versprechen) die Steuerzahler für Bankenpleiten haften.

Emotionaler geht es weiter unten zu, wo die Kunstfigur des Wutbürgers die Szene dominiert. Die Grenzen zwischen authentischer Empörung und Inszenierung sind dabei fließend, wobei die Rollenkombination des Prominenten als Empörter stets stutzig machen sollte. Anders als den Technokraten in Brüssel bleibt den Regierenden auf nationaler Ebene nichts anderes übrig, als Wutbürger mit Argumenten zu überzeugen. Am besten von Angesicht zu Angesicht, wie es nun Finanzminister Michael Spindelegger mit dem Kabarettisten Roland Düringer versuchen will; Inserate und Belangsendungen werden diese Überzeugungsarbeit mit Garantie nicht schaffen.

Auf dem Spiel steht die Glaubwürdigkeit der Demokratie. Keineswegs nur im Hypo-geplagten Österreich, auch im notorisch dysfunktionalen Italien, im politisch entmündigten Griechenland, im chronisch gelähmten Frankreich . . .

"What’s gone wrong with democracy" titelte kürzlich die liberale britische Wochenzeitung "Economist" und begab sich auf die Suche nach den Ursachen, weshalb der erfolgreichsten politischen Idee des 20. Jahrhunderts im neuen Jahrhundert der Gegenwind ins Gesicht bläst - am stärksten zweifellos in China und anderen ökonomisch erfolgreichen, aber autoritären Regimen, aber eben auch in den USA und Europa, wo die Bürger mit Wut und Verachtung auf ihre gewählten Repräsentanten blicken.

Für den "Economist" liegt die Lösung für eine gesunde, lebendige Demokratie in einem schlanken Staat: Sowohl Politiker als auch Wähler müssten von den Vorzügen überzeugt werden, der inhärenten Tendenz des Staates zur Überregulierung Fesseln anzulegen. Womöglich lassen sich für diese Überzeugung tatsächlich Mehrheiten gewinnen - bei Politikern wie Bürgern.

Doch spätestens in der nächsten aufheizten Wahlkampfstimmung werden Politikerversprechen und Wählerwünsche dieser Erkenntnis den Garaus bereiten. Die Folge: Frust und Verachtung werden weiter wachsen.