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Was im Job wirklich Stress macht

Von Andrea Möchel

Wirtschaft
Arbeitgeber sollen gefordert werden, Stress zu reduzieren .
© © lichtmeister - Fotolia

Auslöser: Überstunden, Angst um den Arbeitsplatz oder Doppelbelastung.


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Wien. "Stress fressen Seele auf." Diese Diagnose liegt nahe, haben doch in Europa mittlerweile zwischen 50 und 60 Prozent der Krankenstände psychische Erkrankungen als Ursache, die auf die eine oder andere Art durch Stress bedingt sind. Laut einer aktuellen Umfrage der Online-Jobbörse Karriere.at unter 586 österreichischen Arbeitnehmern klagen bereits 29 Prozent der Befragten darüber, im Job an ihre Belastungsgrenze gehen zu müssen.

Die heimischen Sozialpartner haben sich angesichts dieser dramatischen Entwicklung nun auf mehr Stress-Prävention am Arbeitsplatz geeinigt. Demnach sollen das Arbeitnehmerschutzgesetz und das Arbeitsinspektionsgesetz noch heuer novelliert werden. "Damit haben die Sozialpartner einen wichtigen Meilenstein im Kampf gegen psychische Belastungen am Arbeitsplatz gesetzt", freut sich Alice Kundtner, Leiterin des Sozialbereichs der Arbeiterkammer. "Die Arbeitgeber werden künftig eindeutig verpflichtet, die psychischen Belastungen der Arbeit zu erheben und geeignete Maßnahmen zur psychischen Gesundheit der Arbeitnehmer umzusetzen." Unter anderem soll es ab 2013 mehr Arbeits- und OrganisationspsychologInnen in den Betrieben geben.

Die größten Stressoren

Doch was verursacht den meisten Stress bei der Arbeit? Und wer ist besonders gefährdet?

Stressfaktor Lebensalter: Eine neuseeländische Langzeitstudie kam 2009 zu dem Schluss, dass unter anderem das Alter für die Stressanfälligkeit ausschlaggebend sei. Demnach wären unter 30-Jährige noch sehr stressresistent, Ältere müssten hingegen vermehrt in ihre Regeneration investieren. Ganz anders das Ergebnis einer aktuellen Studie des Münsteraner Psychologe Guido Hertelder. Diese belegt, dass ältere Kollegen mit Stress weit besser umgehen können als die Jungen. "Ältere sind nicht anfälliger für Stress", ist auch der Düsseldorfer Medizinsoziologe Nico Dragano überzeugt. "Allerdings sind sie von der Arbeitsplatzunsicherheit besonders betroffen."

Stressfaktor Job-Angst: Doch auch die junge "Generation Praktikum" leidet zunehmend unter prekären Arbeitsverhältnissen. "Arbeitsplatzunsicherheit ist heute ein ganz wichtiger Stressor", warnt Dragano. "Wer chronisch Angst um seinen Arbeitsplatz hat, hat deutlich erhöhte Krankheitsrisiken bis hin zu einer höheren Sterblichkeit."

Stressfaktor Ohnmacht: Weitere Stressoren können eine niedrige berufliche Position und fehlende Handlungsspielräume sein. Ein dramatisches Beispiel dafür lieferte der französischen Telefonkonzern France Télécom. Massenentlassungen und verschärfte Arbeitsbelastungen führten dort dazu, dass sich innerhalb von zwei Jahren mehr als 30 Mitarbeiter das Leben nahmen.

Stressfaktor Doppelbelastung: In Österreich geht derzeit jede dritte Frau wegen psychischer Erkrankungen frühzeitig in Pension. Schuld daran ist die Mehrfachbelastung von Frauen, die trotz Berufstätigkeit weiter überwiegend für Kinderbetreuung und Haushalt zuständig sind.

Stressfaktor Überstunden: 52 Prozent der deutschen Beschäftigten fühlen sich durch regelmäßige Überstunden erheblich gestresst und gehetzt, so das Ergebnis der Umfrage "Gute Arbeit" des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB). "Das Gefühl, gehetzt zu sein, ist ein Faktum, das genauso ernst zu nehmen ist wie das Resultat einer Blutdruckmessung oder einer Gefahrstoff-Analyse", warnt die IG-Metall.

Stressfaktor ständige Verfügbarkeit: Laut DGB-Umfrage müssen 27 Prozent der Beschäftigten häufig auch in der Freizeit für die Firma erreichbar sein. Eine AK-Erhebung Ende 2011 hat gezeigt, dass 40 Prozent der heimischen Arbeitnehmer arbeiten, wenn sie sich krank fühlen.

Fehlende Prävention

Trotz der immensen Kosten, die ein stressiges Arbeitsklima verursacht, sieht ein Großteil der Chefs keinen Handlungsbedarf. Etwa jeder zweite Manager gab in einer Umfrage von Karriere.at an, dass Anti-Stress-Vorsorge Privatsache sei.

Dabei wäre konsequente Stress-Prävention eine echte Win-Win-Situation, ist Kundtner überzeugt: "Für die Betriebe, weil sie weniger Kosten durch lange Krankenstände und reduzierter Leistungsfähigkeit haben, und für die Beschäftigten, weil die gesund in der Arbeit bleiben können."