Zum Hauptinhalt springen

Was in der Steiermark auf dem Spiel steht

Von Daniel Bischof und Jan Michael Marchart

Politik

Die steirische Landtagswahl am 24. November hat für die Parteien auch bundespolitische Auswirkungen. Richtungsweisend könnte der Wahlgang vor allem für die SPÖ werden.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 5 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Knapp eine Million Steirer können am Sonntag ihren Landtag wählen. Nicht nur in der Steiermark werden die Stimmen Konsequenzen zeitigen, auch für so manche Bundespartei steht bei der Landtagswahl einiges auf dem Spiel.

Richtungsweisend könnte die Wahl für die SPÖ werden. Der steirische SPÖ-Chef und Vize-Landeshauptmann Michael Schickhofer setzte sich bereits Mitte Oktober in der "ZiB 2" eine Grenze für persönliche "Konsequenzen". Solche werde er "natürlich" ziehen, wenn er am 24. November in der Steiermark "ein Ergebnis wie auf Bundesebene" einfährt.

Schickhofer spielte damit auf die 21,2 Prozent der SPÖ bei der Nationalratswahl an. Es war das historisch schlechteste Ergebnis der Parteigeschichte bei einer Nationalratswahl (minus 5,7 Prozentpunkte). Was Schickhofer in seiner Kritik aber verschwieg: In der Steiermark verlor die SPÖ bei der Nationalratswahl noch stärker (minus 5,9 Prozentpunkte) und rutschte sogar unter die 20-Prozent-Marke. Die ÖVP wurde doppelt so stark wie die Roten.

Die Aussichten für die Landtagswahl fallen nur geringfügig besser aus. Die derzeitigen Umfragen sehen die Roten bei 24 bis 26 Prozent. Beim Wahlgang 2015 erreichten sie mit 29,3 Prozent noch Platz eins.

Der "Schichtwechsel", für den Schickhofer im Wahlkampf wirbt, könnte nun zum Bumerang für ihn selbst werden. "Es ist davon auszugehen, dass es zu Personaldiskussionen kommt, wenn die SPÖ ein schlechtes Ergebnis einfährt", sagt Klaus Poier, Professor am Institut für Öffentliches Recht und Politikwissenschaft an der Karl-Franzens-Universität Graz. Als mögliche Nachfolger von Schickhofer werden medial immer wieder der steirische Landesrat Anton Lang und der stellvertretende Bundes-SPÖ-Klubchef Jörg Leichtfried genannt. Max Lercher, der mit 11.000 die meisten roten Vorzugsstimmen in der Steiermark holte, ist gerade erst als Abgeordneter angelobt worden und wird von manchen Genossen eher für höhere Weihen in der Bundespartei angedacht. Als Nachfolger erscheint er unwahrscheinlich.

Die Führungsdiskussion um Parteichefin Pamela Rendi-Wagner könnte bei einem schlechten Ergebnis ebenfalls wieder Fahrt aufnehmen. Eine Niederlage in der Steiermark wäre nach den Verlusten bei den Europa- und den Nationalratswahlen die dritte große Niederlage unter Rendi-Wagner. Nur in Vorarlberg, wo die SPÖ einstellig ist, gab es bei der Landtagswahl Mitte Oktober ein klitzekleines Plus (0,69 Prozentpunkte).

Die Wahl könnte sich auch auf den parlamentarischen Einfluss der SPÖ auswirken: Die Sperrminorität im Bundesrat, also das Vetorecht bei Landesmaterien, wackelt. Die SPÖ hält derzeit 21 der 61 Bundesräte, mehr als ein Drittel der Sitze in der Länderkammer. Diese Anzahl ist für die Sperrminorität erforderlich. Verliert die SPÖ in der Steiermark einen Bundesrat, ist das Vetorecht passé. Dieses hatte sie erst durch die satten Zugewinne des roten Kärntner Landeshauptmanns Peter Kaiser bei der Landtagswahl 2018 erhalten.

Aus der Steiermark kommen von ÖVP, SPÖ und FPÖ je drei Bundesräte. Dass die SPÖ einen verliert, ist aus Sicht von Werner Zögernitz, Präsident des Instituts für Parlamentarismus und Demokratiefragen, nicht sicher. Das hänge nicht nur vom "Gewinn und Verlust" bei einer Wahl an sich ab, sondern auch vom Prozentabstand zur anderen Partei. Es ist für Zögernitz nicht unwahrscheinlich, dass die SPÖ das dritte Bundesratsmandat trotz eines negativen Ergebnisses bei der Wahl behält.

Größere parteiinterne Umwälzungen sind bei der ÖVP nicht zu erwarten, sollten sich die bisherigen Prognosen bewahrheiten. Alles andere als ein Wahlsieg von Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer wäre eine Überraschung: Umfragen sehen die steirische Volkspartei bei bis zu 34 Prozent. Wenn er nicht Erster werde, trete er zurück, hat Schützenhöfer angekündigt. Eine Niederlage würde auch am Siegesnimbus von Sebastian Kurz kratzen.

Offener scheint das Rennen um die künftige Koalition. Sollten ÖVP und Grüne stark abschneiden und die Neos den Einzug schaffen, könnte die Chance auf eine Dreierkoalition bestehen. Ein Vorbild für den Bund? Oder wird es doch eher Schwarz-Rot oder Schwarz-Blau? "Eine Fortsetzung des ,steirischen Wegs‘, also der alten großen Koalition zwischen Schwarz-Rot, halte ich am wahrscheinlichsten. Andere Varianten sind aber nicht völlig auszuschließen", meint Poier.

Die steirische FPÖ rechnet bereits mit Verlusten, als Wahlziel hat Spitzenkandidat Mario Kunasek "um die 20 Prozent" angegeben. Das wäre ein herber Verlust: Bei der Landtagswahl 2015 kamen die Freiheitlichen noch auf 26,8 Prozent.

Mit personellen Veränderungen an der Spitze rechnet Poier bei der steirischen FPÖ nicht. "Kunasek ist jung und in der steirischen FPÖ unbestritten. Eine Niederlage würde man nicht auf ihn, sondern die allgemeine Situation der Bundespartei zurückführen", sagt Poier.

Ein schlechtes Ergebnis in der Steiermark würde nach der Nationalrats- und Vorarlberger Landtagswahl bereits die dritte schwere Niederlage der Freiheitlichen besiegeln. Das könnte jene Kräfte stärken, die eine Neuaufstellung der FPÖ fordern. Mit dieser soll sich am 8. Jänner eine freiheitliche "Reform-Klausur" befassen.

Die Grünen sind in einer komfortablen Situation: Bei ihnen stellt sich die Frage, wie viel Prozent sie in der Steiermark dazugewinnen werden. Von mageren 6,7 Prozent von der Wahl 2015 aus startend, wollen sie nun zweistellig werden. "Es würde mich wundern, wenn sie das nicht erreichen. Ich rechne mit einem sehr starken Ergebnis der Partei in Graz und einem guten am Land", sagt Poier. Auch bei den steirischen Grünen zeichnet sich laut dem Politologen nach der Wahl keine personelle Veränderung ab. "Da gab es bereits kürzlich einen Wechsel." Sandra Krautwaschl wurde erst zu Jahresbeginn zur neuen Spitzenkandidatin gekürt.

Bei der Nationalratswahl gab es für die Neos zuletzt ein ordentliches Plus. Während sie in der Bundespolitik aber mittlerweile eine fixe Größe sind, schwächeln sie in einigen Bundesländern. Der Einzug in den Landtag blieb ihnen aufgrund schwacher Ergebnisse bisher im Burgenland, in Oberösterreich, Kärnten und der Steiermark verwehrt.

Können sich die Neos nun auch auf diesem für sie schwierigen Pflaster etablieren? Leitet die Steiermark die pinke Trendwende ein? Einfach wird es jedenfalls nicht: Statt einer landesweiten Prozenthürde müssen die Neos ein Grundmandat in einem der vier Wahlkreise erreichen.

Im Fokus haben die Pinken den Wahlkreis Graz und Umgebung. In dem urbanen Sprengel konkurrieren sie aber auch mit den Grünen und der KPÖ. Für den Einzug braucht es jedenfalls ein deutlich stärkeres Ergebnis als 2015: Damals erzielten die Neos landesweit gerade einmal 2,6 Prozent.

Ebenso wie die Neos müssen auch die Kommunisten bangen. Der Wiedereinzug in den steirischen Landtag ist keine ausgemachte Sache. Seit 2005 ist die KPÖ dort durchgehend vertreten. Bundespolitische Konsequenzen stehen nach dem Wahlgang von Kandidatin Claudia Klimt-Weithaler nicht bevor. Die Stärke der KPÖ bleibt ein steirisches und vor allem ein Grazer Phänomen.