Volkswagen kämpft mit dem Umstieg auf E-Mobilität. Zudem wird Konzernchef Diess wieder in Frage gestellt.
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Die Transformation des Volkswagen-Konzerns, Europas größtem Autobauer, in Richtung Elektromobilität, ist von heftigen Auseinandersetzungen geprägt. Nun wackelt offenbar - wieder einmal - der Job von VW-Chef Herbert Diess.
Aktueller Auslöser dafür war die kolportierte Aussage von Diess, dass mit dem Umbau des Konzerns auf E-Autos und der damit verbundenen Digitalisierung 30.000 Jobs obsolet wären.
Daraufhin entzog man ihm von Arbeitnehmerseite das Vertrauen und der mächtige VW-Betriebsrat ging auf Konfrontationskurs.
Anfang November erklärte sich der Konzernchef dann bei einer Betriebsversammlung: Volkswagen gehe es zwar gut, die Auftragsbücher seien voll. Aufgrund der Halbleiter-Krise gebe es allerdings einen Produktionsstau, was es notwendig machte, Mitarbeiter in Kurzarbeit zu schicken.
E-Mobilität und Kulturbruch
Größere Sorgen macht sich Diess, in seiner - mittlerweile auf LinkedIn veröffentlichten - Rede jedoch über den grundlegenden Wandel der Autobranche hin zu elektrischen Fahrzeugen samt umfangreicher Digitalisierung.
Für den Umstieg auf Elektromobilität, sei auch Software-Kompetenz entscheidend, streicht Helmut Diess in der Rede hervor. Diese hat der VW-Konzern bislang jedoch Zulieferern wie Bosch und Conti überlassen, während Tesla hier Standards setze und "seine Autos rund um die Software herum" baue, so der Konzernchef.
Diess meint daher: "Im neuen Wettbewerb können wir nur bestehen, wenn wir die Software selbst programmieren und immer wieder updaten."
Beigestellt werden dem elfseitigen Rede-Manuskript die einprägsamen Sätze: "Der nächste Golf darf kein Tesla sein. Der nächste Golf darf nicht aus China kommen. Die nächste Ikone muss wieder ein Wolfsburger sein: Trinity!" - Mit Trinity ist übrigens nicht ein neuartiges E-Auto gemeint, es ist vielmehr ein Projekt, das autonomes Fahren massenmarkttauglich machen soll. Darüber hinaus ist das Ganze auch mit einer neuartigen und schnelleren Produktionsweise verbunden.
Tesla als Benchmark
Gerade in Sachen Produktion sieht der VW-Chef allerdings Verbesserungsbedarf. Er hält Volkswagen hierbei für nicht effizient genug im Kampf um die Marktführerschaft bei E-Autos. Diess vergleicht die VW-Produktion mit jener von Tesla. Der US-amerikanische E-Auto-Pionier benötigt demzufolge nur zehn Stunden pro Auto, beim deutschen Autobauer soll dies dreimal so lange dauern.
Volkswagen muss zudem bei den Kosten nachschärfen, um mit Tesla mithalten zu können. Angesichts des überragenden Börsenwertes des US-Konkurrenten ist das ein schwieriges Unterfangen, erreichte Tesla nach einer Massenbestellung von Hertz doch kürzlich den Rekordwert von einer Billion Dollar (864 Milliarden Euro) an der Börse.
Und damit ist das Thema Personalabbau wohl so schnell nicht vom Tisch. "Die heute bestehenden Jobs werden innerhalb der nächsten zehn bis 15 Jahre sicher weniger", meint Helmut Diess dazu in seiner Rede. Andere, neue Jobs würden aber hinzukommen.
Bilanz und Chipmangel
Ein Gewinnrückgang und mangelnde Auslastung im Stammwerk in Wolfsburg stellen den Konzern indessen vor weitere Herausforderungen. Wegen des aktuellen Chipmangels können aufgrund fehlender Teile weniger Autos gebaut werden, als man verkaufen könnte. Der Chipmangel sorgte im dritten Quartal allein bei der Marke VW, die für rund ein Drittel des Umsatzes steht, für tiefrote Zahlen. Hier musste einen operativen Verlust von 184 Millionen Euro ausgewiesen werden. Volkswagen senkte deshalb seine Absatz- und Umsatzerwartungen für das laufende Jahr. Im dritten Quartal sank der Betriebsgewinn vor Sondereinflüssen um 12 Prozent auf 2,8 Milliarden Euro.
Die Aufholjagd auf Tesla will der VW-Konzern jedoch aus eigener Kraft stemmen und plant zur Finanzierung keinen Verkauf von Beteiligungen. Den Kapitalbedarf will man mit Partnern aufbringen, hieß es dazu.
Wie es bei Europas größtem Autobauer weitergeht und ob Konzernchef und Betriebsrat wieder zusammenfinden können, ist derzeit noch offen. Diess kündigte jedenfalls bereits einen gemeinsamen Plan an, eine "Vision 2030". Diese soll gemeinsam mit der Investitionsplanung für die kommenden fünf Jahre am 9. Dezember präsentiert werden. (mojo)