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Was ist mit uns los?

Von Reinhard Göweil

Leitartikel
Chefredakteur Reinhard Göweil.

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Die Frage "Was ist mit uns los?" stellte der Präsident des Europäischen Parlaments, Martin Schulz, beim jüngsten Auftritt in Wien. Gute Frage. Eine befriedigende Antwort blieb aus.

Es ist ja tatsächlich überaus beunruhigend, was sich in den westlichen Demokratien derzeit abspielt. Denn die Hemmschwelle zur Gewalt scheint beständig zu sinken. Die radikale Wortwahl rechtspopulistischer und rechtsextremer Politiker bereitet dafür den Weg. Die von Russland gesteuerte Desinformations-Kampagne wirkt im schlechtsten Sinn ergänzend.

In Österreich denkt der FPÖ-Chef über Bürgerkriegsszenarien nach. In den USA bewaffnen sich "Bürgerwehren", um im Falle eines Wahlsiegs von Hillary Clinton zuschlagen zu können. Der amerikanische Schriftsteller Jonathan Franzen warnte in einem "Welt"-Interview vor solchen Aufständen nach dem 8. November.

In der Türkei entfernt Erdogan sein Land aus dem Kreis der Demokratien. Dort wird es wohl in den kommenden Wochen tatsächlich zu bewaffneten Auseinandersetzungen kommen. Gewählte Abgeordnete der Opposition einfach festnehmen zu lassen, ist ein krasser Macht- und Gewaltmissbrauch. Gegengewalt der betroffenen Kurden ist als sicher anzunehmen.

Allerdings kann nicht gerade behauptet werden, dass Europa und die USA von schweren Krisen geschüttelt geradewegs in die Armutsfalle tappen. Es gibt enorme Herausforderungen, schon richtig. Aber im Vergleich zu Russland, asiatischen und südamerikanischen Ländern geht es Europa und den USA prächtig.

Was ist also mit uns los? Erst einmal lässt sich die industrielle Gesellschaft derzeit von Ängsten leiten. Es zeigt sich, dass die zivilisatorische Schicht dünner ist, als allen lieb sein kann. Eine Abrüstung der Worte täte allen gut, ist aber nicht zu erwarten. Selbst Politiker der Mitte radikalisieren ihren Sprachgebrauch.

Und es zeigt sich bei den Anhängern extremer Parteien, dass viele in bestürzender Weise vollkommen schwachsinnige Verschwörungstheorien für bare Münze nehmen.

Die politischen Kräfte der Besonnenheit sind nun besonders gefragt. Allerdings nicht mit Beschwichtigungs-Floskeln, sondern mit der Bereitschaft zu systemischen Reformen, die einigen dieser Politiker ihren Job kosten werden. Demokratie und sozialer Frieden sind aber allemal wichtiger als gut bezahlte Ämter.