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"Was ist noch bürgerlich an der ÖVP?"

Von Walter Hämmerle

Politik
Strache (40): "Die Mächtigen des Systems stempeln mich zum Außenseiter, weil ich mich nicht einfüge". Foto: Strasser

Strache: "Wir wollen in Bund und Ländern regieren." | FPÖ macht "Politik für die Anständigen". | FPÖ-Idee für Schulden-Abbau: "Steuern senken." | "Wiener Zeitung": "Lieber ein guter Sozi als wie ein schlechter Strache", sprach Kärntens Landeshauptmann Gerhard Dörfler eine Wahlempfehlung für den Wiener Bürgermeister Michael Häupl in die TV-Kameras.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 15 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Heinz-Christian Strache: Das zeigt vor allem, wessen Geistes Kind der Herr Dörfler ist. Offensichtlich steckt in ihm doch ein Sozialist, der noch dazu Michael Häupl ganz ansprechend findet - das spricht leider nicht für den Herrn Landeshauptmann. Gerade in Wien erwarten sich die Menschen, dass wir das Chaosmanagement der SPÖ endlich beenden. Hier ist die Zeit reif für einen Wechsel und der HC Strache wird als Bürgermeister zwar nicht alles anders, aber vieles besser und sozial gerechter machen. Ich verstehe aber schon die Nervosität mancher Herrschaften angesichts meines Erfolgswegs seit 2005.

Insgeheim werden Sie sich über Dörfler gefreut haben.

Jetzt weiß zumindest jeder Wiener Freiheitliche und jeder, der die SPÖ-Allmacht brechen will, wen er im kommenden Jahr zu wählen hat.

Gefallen Sie sich in der Rolle des Rebellen, der die Innenpolitik in Österreich regelmäßig in Aufruhr versetzt?

Ich sehe mich als Volksvertreter im positiven Sinn, ich stehe auf der Seite der Bürger und werde deshalb von den Mächtigen des Systems als Außenseiter dargestellt, weil ich mich nicht einfüge in die Strukturen. Bei mir, trotz all meiner Fehler, wissen die Bürger, dass sie sich auf mich verlassen können.

In Umfragen, in denen die Bevölkerung danach gefragt wird, ob sie einem bestimmten Politiker vertraut oder nicht, rangieren Sie aber ganz am Ende. Das widerspricht dem Bild, das Sie von sich selbst zeichnen.

Umfragen dieser Art halte ich, ehrlich gesagt, für hanebüchen - das belegen auch all jene Umfragen, die uns vor Wahlen immer hinunterschreiben und durch Wahlergebnisse widerlegt werden. Unsere eigenen Umfragen zeigen ein ganz anderes Bild, das auch dadurch belegt wird, dass ich bei sämtlichen Wahlen, bei denen ich in Wien als Spitzenkandidat angetreten bin, die mit Abstand meisten Vorzugsstimmen erhalten habe.

Welchen Weg soll die FPÖ unter Ihnen in den kommenden Jahren einschlagen?

Zunächst einmal geht es jetzt um die kommenden Landtagswahlen in Vorarlberg und Oberösterreich. In beiden Ländern wird die FPÖ als einzige politische Kraft deutlich zulegen - und zwar so stark, dass man an uns nicht vorbeigehen wird können. Das gilt auch für die Wahlen im kommenden Jahr in der Steiermark, im Burgenland und natürlich in Wien: die Freiheitlichen wollen und werden in der Regierung sein.

Mit wem als Partner: SPÖ oder ÖVP? In Oberösterreich halten sich, wie bereits zuvor in Salzburg, beide Parteien diese Option offen.

Von unserer Seite gibt es keine Präferenz - wer bereit ist, unsere Inhalte zu übernehmen und umzusetzen, mit dem ist eine Zusammenarbeit möglich.

Gilt dieser neue blaue Wille zum Regieren auch für den Bund? Bisher haben Sie sich mit Ihrem polarisierenden Stil als Oppositionspolitiker positioniert.

Ich bin ein authentischer Mensch, das ist auch Teil meines Erfolgs bei den Wählern: Authentizität als Politiker wie auch als Privatmensch. Dazu gehört auch eine gewisse Konsequenz bei den Inhalten: Die Wahrheit ist zumutbar. Aber auf das Niveau des Wiener Bürgermeisters, der auch vor persönlichen Beschimpfungen nicht zurückschreckt, werde ich mich nicht hinunterbegeben.

Es gibt andere, die Ihnen ein tiefes Niveau attestieren.

Sagen Sie mir, wo.

Etwa in Ihren Aussagen zu Ausländern und Asylwerbern.

Schauen Sie sich alle meine Aussagen an: Ich habe immer gesagt, wir respektieren alle Völker und alle Kulturen. Was wir aber sehr wohl tun, ist zwischen anständigen und unanständigen Menschen zu unterscheiden. Wenn Sie damit ein Problem haben, dann müssen Sie das Ihren Lesern erklären. Die Menschen wollen nicht, dass man heute undifferenziert und ohne Mindeststandards Massen nach Europa hereinholt, die unser Sozialsystem ausnützen, kriminell werden und weder bereit sind, sich zu integrieren, noch zu arbeiten. Das sind die Unanständigen. Aber daneben gibt es sehr wohl auch die Anständigen, die heute als Neo-Österreicher auch die FPÖ unterstützen. Wir machen Politik für die Anständigen und wir wollen nicht zu einer Minderheit in der eigenen Heimat werden - aber das will kein Volk.

Sie nehmen für sich in Anspruch, besonders authentisch zu sein. Nun finden sich immer wieder intime Details aus Ihrem Privatleben in den Medien - gibt es für Sie eine Grenze zwischen öffentlich und privat?

Ich halte es für sehr schädlich, dass von den Medien immer wieder Privates in die Öffentlichkeit gezerrt wird. Das geschieht gegen meinen Willen. Jeder Mensch, auch Politiker, hat ein Recht auf Privatsphäre.

Zur aktuellen Justizdebatte: Die FPÖ will das Weisungsrecht des Justizministers nicht antasten . . .

Ja, und zwar weil es nicht angeht, dass die Verantwortung auf eine Ebene abgeschoben wird, die politisch nicht mehr kontrollierbar ist. Mir kann keiner erklären, dass es in der Staatsanwaltschaft nicht auch politisch motivierte Beamte gibt. Die würden dann nicht mehr kontrolliert werden können. Das würde ich für demokratiepolitisch äußerst bedenklich erachten - es braucht politisch Verantwortliche bei der Letztentscheidung.

Wie steht es um Ihr persönliches Vertrauen in die Justiz? Das ist in den letzten Jahren doch erschüttert worden. Manchmal gewinnt man den Eindruck, dass auch in diesem Bereich Politik gemacht wird, das hat jedoch in der Justiz nichts verloren.

Zum Beispiel?

Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofs zu den Ortstafeln etwa.

Welches Zwischenzeugnis stellen Sie der großen Koalition aus?

Groß ist die Koalition ja nicht mehr. Wir erleben einen Bundeskanzler, der abgemeldet ist, und einen Vizekanzler, der Bundeskanzler spielt. Die Probleme der Bürger werden jedoch nicht erkannt und schon gar nicht gelöst. Dazu muss man sich nur das milliardenschwere Bankenhilfspaket anschauen. Hier wurde verabsäumt, dass der Einfluss des Staates bei jenen Banken gesichert ist, die Steuergeld in Anspruch nehmen. Vergessen wurde auch auf die kleineren und mittleren Unternehmen, die jetzt in der Krise von den Banken keine Kredite bekommen. Die Banken müssten dazu verpflichtet werden, sich wieder auf ihr Kerngeschäft zu konzentrieren, nämlich Kredite im Inland zu vergeben.

Österreichs Schulden wachsen dank struktureller Defizite und kostspieliger Konjunkturpakete kräftig an. Wie würde denn die FPÖ, wenn sie denn könnte, wie sie wollte, diesen Schuldenberg wieder abbauen: Sparen oder Steuern erhöhen?

Es geht nicht um Einsparungen, sondern um Umschichtungen. Bei Bildung, Sicherheit und Familien darf man nicht sparen. Dorthin muss das Geld fließen, das man über eine Verwaltungsreform lukrieren kann. Aber bis dato hat die Regierung hier keine Aktivitäten gesetzt.

Damit wäre allerdings noch kein Euro an Schulden abbezahlt.

Dazu muss man bei den Steuersätzen ansetzen: Sowohl der Eingangssteuersatz wie der mittlere als auch der Spitzensteuersatz müssen gesenkt werden. Die Österreicher bezahlen die höchsten Steuern - und das führt zu Steuerflucht und Schattenwirtschaft. Wenn wir das unterbinden, wird es durch niedrigere Steuersätze am Ende höhere Steuereinnahmen für den Staat geben.

Sie wollen wirklich den Rekordschuldenberg durch niedrigere Steuern abbauen?

Ja, dafür gibt es auch Beispiele. Neue Steuern wie Erbschafts- oder Schenkungssteuer tragen nicht nur nichts zu einem gerechteren Steuersystem bei, sondern erhöhen noch die Ungerechtigkeit. Gerecht wäre dagegen, für Unternehmen, die ihre Umsätze und Gewinne ausschließlich mit Spekulationsgeschäften machen, die Steuern zu erhöhen.

BZÖ-Chef Bucher will seine Partei als wirtschaftsliberale Kraft positionieren und überlässt damit der FPÖ das Feld rechts der Mitte. Ihnen wird es recht sein, oder?

Das BZÖ geht offensichtlich nach dem Tod Jörg Haiders den Weg des Liberalen Forums -und wir wissen ja, wohin der geführt hat. Es stimmt aber, dass es in Österreich bis auf die FPÖ nur noch linke Parteien gibt.

Dabei hat gerade die FPÖ starke linkspopulistische Züge etwa in der Sozialpolitik.

Natürlich haben Sie recht, dass das Links-Rechts-Schema in der Politik völlig überholt ist. Und natürlich betonen wir dort, wo es um die soziale Verantwortung geht, die Rolle des Staates - und das ist, wenn Sie so wollen, links. Bei Themen wie Sicherheit, Familie oder Leistung sind wir dagegen rechts.

Seit 1983, so wird immer wieder behauptet, gebe es im Nationalrat eine bürgerliche Mehrheit rechts der Mitte . . .

Ich frage mich nur, was an der ÖVP noch bürgerlich sein soll .. .

. . . diese Frage stellen sich auch viele in der ÖVP in Bezug auf die FPÖ. Meine Frage zielt aber darauf ab, ob Sie ÖVP und FPÖ als gemeinsames politisches Lager betrachten?

Nein, das tue ich nicht. Bei der ÖVP vermisse ich sowohl das bürgerliche wie auch das christliche Element, sie vertritt nur mehr Lobbyinginteressen von Industrie, Bauern, Beamten.

Was ist bürgerlich an der FPÖ?

Wir wollen nicht das Kreuz aus den Schulen verbannen; wir lassen nicht zu, dass der Nikolaus nicht mehr in die öffentlichen Kindergärten darf; wir bekennen uns zu einem christlichen Abendland; und wir wollen eine familienfreundliche Gesellschaft, weshalb wir auch die Homo-Ehe ablehnen.

Aber natürlich gibt es auch thematische Überschneidungen mit der ÖVP, genau so, wie es sie auch mit der SPÖ gibt. Nur hat sich die SPÖ unter Werner Faymann hier selbst aus dem Spiel genommen. Das hat die ÖVP nicht getan.