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Der lange Schatten der Regierung Schüssel beschäftigt noch heute die Politik - ein neues Buch geht der Frage nach, warum.
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Schwarz-Blau ist längst Geschichte, seine Protagonisten ebenfalls. Und trotzdem kommt nach wie vor keine Parlamentssitzung und keine Wahlkampfrede ohne - mehr oder weniger subtile - Anspielung auf die Zeitspanne vom 4. Februar 2000 bis zum 11. Jänner 2007 aus. Es besteht also nach wie vor erheblicher politischer Aufarbeitungsbedarf im Land von Sigmund Freud und Erwin Ringel. Dieser Nachfrage kommt ein Buch nach, das heute, Mittwoch, in Wien präsentiert wird.
In dem Werk mit dem Titel "Kanzlermacht - Machtkanzler" fragt der junge Politikwissenschafter David Wineroither, geboren 1981 in Traun, nach der Entscheidungseffizienz des österreichischen Regierungssystems. Diese sei, so seine zentrale These, im internationalen Vergleich als relativ schwach einzuordnen. Bundeskanzler und Ministern werden die Hände von mächtigen Gegenspielern gebunden, die Veränderungen blockieren können: insbesondere straff organisierte Interessenvertreter - allen voran die Sozialpartner - und natürlich die Länder. Auch deshalb der große Hang und Zwang zu konsensualen Entscheidungen in der österreichischen Politik.

In den sieben Jahren Schwarz-Blau mit Wolfgang Schüssel an der Spitze sieht Wineroither eine Ausnahme von dieser austriakischen Faustregel. Nicht, dass es nicht auch hier mächtige Veto-Bollwerke gegeben hätte, nur waren diese innerparteilich angesiedelt. Man denke an die mächtige schwarze Beamtengewerkschaft oder den ebenso starken Bauernbund, die ihre Klientel vor allzu harten Einschnitten zu bewahren wussten. Dafür blies den roten Sozialpartnern umso schärfer der Regierungswind um die Ohren.
Zu hinterfragen bleibt, ob die von Wineroither konstatierte koalitionsinterne Harmonie von ÖVP und FPÖ im Gegensatz zum permanenten Streit großer Koalitionen nicht eher der strukturellen Schwäche der Freiheitlichen entsprangen, die sich schlicht den Wünschen der Volkspartei zu beugen hatten.
Und was bleibt von Schwarz-Blau nach Ansicht Wineroithers? "Nicht viel", ist dieser überzeugt: "Die große Koalition und Beinahe-Allmacht der Sozialpartner ist wiederhergestellt, die Kammern sogar in der Verfassung verankert." Und inhaltlich habe nur Bestand gehabt, was mittlerweile allgemein anerkannt sei. Als Beispiel nennt er die Pensionsreform, aber selbst dieser wurde seitdem noch ordentlich ans Zeug geflickt.
Machttechnisch bezieht die Volkspartei den größten Vorteil aus ihrer damaligen Kanzlerschaft durch ihre heutige Regierungsbeteiligung - und das wohl sehr zum Ärger der SPÖ: Wann immer Faymann & Co am Status quo rütteln wollen, kann die ÖVP zumindest hinhaltenden Widerstand leisten.
Nichts geändert hat die Koalition dagegen am innenpolitischen Paria-Status der FPÖ. Noch heute gilt deren Koalitionstauglichkeit als Gretchenfrage der heimischen Innenpolitik.
David Wineroither: Kanzlermacht - Machtkanzler? Die Regierung Schüssel im historischen und internationalen Vergleich. Münster 2009 (Lit-Verlag).