Als Ursache für die regiewidrige Abwahl zweier Präsidiumsmitglieder führten ÖGB-Funktionäre "Basisdemokratie" an. Dieser Unsinn wurde auch von Printmedien übernommen. | Ein wesentlicher Bestandteil langfristig erfolgreicher Politik ist die Besetzung von Begriffen. Wenn man etwas Falsches konsequent genug behauptet, wird es irgendwann zur "Wahrheit". Dafür gibt es zahllose historische, aber auch aktuelle Beispiele. So etwa gelang es der erfolgreichen Propaganda der Bolschewiki, den brutalen Putsch von 1917 als Volkserhebung darzustellen und als "Oktoberrevolution" in die Geschichtsbücher zu drücken.
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Ähnliches wurde am 24. Jänner auf dem ÖGB-Kongress probiert. Nach einer noch nie dagewesenen Abstimmungspanne führten in der ZiB mehrere Kongressteilnehmer in flüssigem Gewerkschaftssprech die "gelebte Basisdemokratie" als Ursache für die regiewidrige Abwahl zweier Präsidiumsmitglieder an.
Dieser Unsinn wurde dann am folgenden Tag auch von einigen Printmedien übernommen, wobei die "Salzburger Nachrichten" auf Seite eins mit der Headline "Aufstand der ÖGB-Basis" den Vogel abschossen und auch der "Standard" von einer Revolte der "Basis" überzeugt war, während etwa die "Kleine Zeitung" richtigerweise feststellte: "Demokratie findet im ÖGB schon lange nicht mehr statt".
Basisdemokratie wäre, wenn die rund 1,3 Millionen Mitglieder bei der Funktionärsauslese irgendetwas mitzureden hätten, was aber bekanntlich nicht der Fall ist. Die Versammlung von 348 handverlesenen stimmberechtigten Funktionären, die traditionell einen vorgefertigten Wahlvorschlag ohne Auswahlmöglichkeit abzusegnen haben, als Basis zu bezeichnen, ist mehr als kühn.
Nach dieser merkwürdigen Logik könnten auch die 693 Abgeordneten (in National- und Bundesrat sowie neun Landtagen) als "Basis" herhalten, womit wir uns künftig die lästigen und teuren (Ur-)Wahlen sparen könnten, die es ja auch im ÖGB nicht gibt.
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Wenn in Medien über rechte oder rechtsradikale Ereignisse berichtet wird, werden diese meist zurecht als "rechts" oder "rechts-extrem" bezeichnet. Soweit so gut. Auffallend ist, dass wenn es sich um "linke" oder "links-radikale" Sachverhalte handelt, diese meist beschönigt werden. Dann ist oft von "anarchistischen" oder "autonomen" Gruppen die Rede, die etwa bei Demonstrationen ihrem munteren Zerstörungswerk nachgehen. "Rechte" Publizisten werden meist als solche bezeichnet, "linke" Publizisten zumeist als "links-liberal" tituliert; ein vor allem bei linken Journalisten beliebtes Adjektiv, das eigentlich unsinnig ist, denn entweder ist man "links" oder "liberal", das eine schließt logischerweise das andere aus.
Ein Kolumnist im "Standard" geht in seinem Euphemismus sogar noch weiter, wenn er zum Beispiel den neuen ORF-Generalintendanten als "liberal" bezeichnet. Dieser war immerhin Mitglied des VSStÖ und zum Ende seines Studiums dessen Vorsitzender. Er bekennt sich auch zu seiner Vita. Was soll also der Orwellsche Versuch, Geschichte umzuschreiben? Und wenn - zum Beispiel im ORF - die Abfangjäger oftmals als "Kampfflieger" bezeichnet werden, steht sicher keine Absicht dahinter.
Aber auch mit dem Pathos sollte man aufpassen, denn die Grenze zur Lächerlichkeit wird leicht überschritten, wenn zum Beispiel die "Presse" Angela Merkel anlässlich der Vorsitz-Übernahme zur "Jeanne dArc der EU" erklärt. Das muss ein Schreiber des Gratisblättchens "Heute" gelesen haben, der flugs die mittlerweile parteilose ÖH-Vorsitzende Barbara Blaha zur "Jeanne dArc" der Studenten promovierte. Eine öffentliche Verbrennung auf dem Scheiterhaufen wird wohl beiden Damen erspart bleiben. Da hat es Barbara Prammer besser getroffen, die von "profil" zur "Vöcklabrucker Audrey Hepburn" befördert wurde - da kann man nur gratulieren!