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Was kennzeichnet eine gute Schule?

Von Heiner Boberski

Politik
Lebhafte Schlussdebatte der Juroren im Wiener Café Museum (v.l.n.r.): Heidrun Strohmeyer, Heiner Boberski, Kurt Scholz, Stefan T. Hopmann. Foto: Strasser

Kooperation aller Beteiligten ist von größter Bedeutung. | Die Potenziale der Kinder erkennen und bestmöglich fördern. | Wien. In mehr als zwei Jahren wählten sie für die "Wiener Zeitung" als Jury "Schulen des Monats" aus, insgesamt 25 aus etwa 200 Vorschlägen, kürzlich trafen sie für eine Bilanz noch einmal im Wiener Café Museum zusammen: Heidrun Strohmeyer, Sektionschefin im Unterrichtsministerium, Stefan T. Hopmann, Professor für Bildungswissenschaft an der Uni Wien, Kurt Scholz, ehemaliger Präsident des Wiener Stadtschulrates, und als Moderator der Autor dieser Zeilen, Redakteur bei der "Wiener Zeitung".


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Was kennzeichnet nun aus Sicht der Juroren eine gute Schule? Strohmeyer sieht als Basis ein gutes Schulklima an: "Bei unserem Projekt hat sich wie ein roter Faden durchgezogen, dass jene Schulen gute Schulen sind, wo alle Schulpartner, Schulleiter, Lehrer, Schüler und Eltern in einem guten wechselseitigen Zusammenspiel gemeinsam und sehr bewusst dazu beitragen, dass in der Schule eine gute Atmosphäre und ein gutes Klima herrscht."

Dieser Meinung schließt sich Scholz an und ergänzt: "Eine gute Schule ist eine, in der den Kindern nicht das Rückgrat gebrochen wird, in der die Neugierde der Kinder bewahrt bleibt, in der die Schule mit den Eltern redet und daraus Konsequenzen zieht."

"Das Rezept für eine gute Schule gibt es nicht", betont Hopmann: "Viele glauben, eine bestimmte Methode, eine bestimmte Schulstruktur, eine bestimmte Leitungsstruktur macht eine gute Schule, nein, eine gute Schule entsteht dort, wo die Beteiligten ihre Situation annehmen und etwas Vernünftiges daraus machen. Die Schulen, die wir ausgewählt haben, kennzeichnet, dass sie höchst verschiedene Sachen machen, aber alle versuchen, auf das, was sie als ihre Hauptherausforderung erkannt haben, eine eigene Antwort zu finden." Testergebnisse solle man nicht überbewerten.

Hopmann plädiert für viel mehr Autonomie der Schulen, wobei sich gute Schulen heute vor allem für die Schüler einsetzen sollten, die aus schulfernen, bildungsfernen Milieus kommen: "Eine gute Schule ist eine, wo man sich freut, dass Martin wider Erwarten zwei Aufgaben gelöst hat, und nicht darüber, dass Karin erwartungsgemäß zehn Aufgaben gelöst hat."

Für Sektionschefin Strohmeyer ist in diesem Zusammenhang das Stichwort Individualisierung und Fokussierung auf das einzelne Kind wichtig: "Dass man wirklich schaut, was dieses Kind an Potenzialen in sich hat und entsprechend die Stärken stärkt und eine optimale Perspektive eröffnet, sei es für die weitere Bildungs- oder für die Berufslaufbahn, dass man sich darauf konzentriert, was für das Kind gut ist und nicht, was für die Schule gut ist."

Die entscheidende Rolle spielen, so die Experten, die Lehrer. Scholz: "Ich wünsche Kindern in einer guten Schule zumindest einige charismatische Lehrerpersönlichkeiten. Ich glaube nicht mehr an Schulreform durch Lehrplanveränderungen - das ist alles interessant und notwendig -, sondern der Bildungserwerb entscheidet sich in der Begegnung mit charismatischen Persönlichkeiten, die nicht Vollständigkeit anstreben, sondern die von ihrem Fach leidenschaftlich überzeugt sind und diese Leidenschaft an Kinder weitergeben können."

Problem Lehrerauswahl

Heidrun Strohmeyer bejaht, "dass dieses Feuer und die Leidenschaft für die eigene Sache wichtig ist", fordert aber auch, "dass die Lehrer gut ausgebildet sind". Erwünscht sei "eine Kombination aus Charisma und solider pädagogischer guter Ausbildung, in der Lehrer schon in der Ausbildung auf gewisse Schwerpunkte - zum Beispiel soziale Kompetenz - sensibilisiert werden". Es sei aber sehr schwer, schon bei 18- oder 19-Jährigen festzustellen, ob sie gute Lehrer werden können. Das sei aber eine Kernfrage, so Strohmeyer: "Eine gute Schule kann ja nur gut sein, wenn es gute Lehrer gibt. Die Lehrerausbildung und Lehrerauswahl sehe ich schon als zentrale Herausforderung an die Bildungspolitik und das Bildungssystem."

Zumindest "negativ" könne man, so Hopmann, bereits relativ früh sagen, wer absolut nicht zum Lehrer geeignet sei. Sorgen macht dem Uni-Professor der internationale Trend, wonach die durchschnittliche Verweildauer von Lehrern im Schulsystem in einzelnen Ländern kaum noch zehn Jahre beträgt: "Das Schlimme ist, es gehen die starken Leute, die finden andere, besser bezahlte Möglichkeiten. Es bleiben nicht unbedingt die, die wir in erster Linie haben wollen. Wenn ich wirklich gute Lehrer haben will, dann ist es jedenfalls kontraproduktiv, öffentlich dauernd auf den Lehrern herumzuhacken."

Zumindest als Teillösung argumentiert Scholz dafür, Leute, die schon Berufserfahrung haben - Techniker, aber auch Künstler und Schriftsteller - nach einer Nachschulung zumindest mit befristeten Verträgen in die Schulen zu holen, was allerdings "dienstrechtlich unendlich schwierig" sei.

Engagement der Eltern

Dafür fehlten "Umstiegsprogramme", beklagt auch Hopmann, solche Leute, die gewohnt seien, eigenständig zu arbeiten, könne man auch nicht so behandeln wie jene, die frisch von der Ausbildung kommen: "Daran muss man arbeiten, wir werden die Leute brauchen, weil sie in den kritischen Fächern - Deutsch, Mathematik, Naturwissenschaften - bald fehlen werden."

Für Heidrun Strohmeyer steht jedenfalls fest, dass sich eine gute Schule "öffnen" und auf die Herausforderungen der Zeit achten muss. Es gehe nicht nur um Wissensvermittlung, sondern auch um Erziehung zu mündigen Bürgern und zur Zivilcourage.

Zu einer guten Schule gehört, so die Meinung der Juroren, auch das Engagement der Eltern. In diesem Sinn appelliert Scholz, "auch wenn das heute gar nicht populär ist", dass Eltern den Kindern die Bedeutung von Bildung vermitteln und zu Opfern für die Bildungslaufbahn der Kinder bereit sind: "Dass ich das Kind abliefere vor der Schule, die Schule mit allen meinen Hoffnungen überhäufe und dann nach zwölf Jahren ein Kind abhole, das meinen Idealvorstellungen entspricht, das kann es nicht sein."