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Was kommt nach Gaddafis Schachmatt?

Von Stefan Haderer

Gastkommentare
Stefan Haderer ist Kulturanthropologe und Politikwissenschafter.

Nach dem libyschen Unabhängigkeitskampf ist jetzt die große Frage, wie der Westen und die neuen Machthaber miteinander umgehen werden.


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Die Bilder wirkten bizarr und inszeniert - genauso, wie sich Muammar Gaddafi seinem libyschen Volk 42 Jahre lang präsentierte. Während sein Land im Chaos des Bürgerkriegs versank, sinnierte er vor laufenden Kameras über seinen nächsten Schachzug. Nun gehört der selbsternannte "König der Könige" der Geschichte an. Was wird jetzt aber aus dem neuen Libyen, einem Staat, der auch ohne die Willkür des Machthabers und seiner Söhne noch weit von einer Demokratie entfernt ist?

Die widersprüchlichen Aussagen von Rebellen und Mitgliedern der Übergangsregierung über die tatsächlichen Todesumstände Gaddafis beweisen vor allem die Uneinigkeit in den eigenen Reihen der neuen libyschen Machthaber. Dass der verhasste Oberst nicht ohne Unterstützung der Nato und der Geheimdienste aufgespürt und gefasst hätte werden können, geht aus neuesten Erkenntnissen hervor. So gesehen verdanken die Rebellen ihren Sieg zu einem Großteil amerikanischer Logistik und britischer Kriegsführung.

Ob sich die Übergangsregierung sowie jene Partei, die in den für 2012 angekündigten demokratischen Wahlen gewinnen wird, deshalb dem Westen verbunden zeigen wird, steht auf einem anderen Blatt geschrieben. Denn der momentane, eher liberal gesinnte Gesprächspartner Europas und der USA, Mahmud Jibril, wird sich laut eigenen Angaben aus der Politik zurückziehen und anderen Kräften das Feld überlassen. Dass diese nicht islamistisch sein werden, kann keiner garantieren. Schon jetzt spricht Jibril in weiser Voraussicht von einer "unmöglichen Mission" des Wiederaufbaus.

Während seiner Herrschaft hatte Muammar Gaddafi die rivalisierenden Clans im Wüstenland unter dem grünen Banner der Dschamahiriya, einer von ihm begründeten islamisch-sozialistischen "Herrschaft der Massen", geeint. Aufgrund seines Ölreichtums stieg Libyen zum wohlhabendsten Staat auf dem afrikanischen Kontinent auf. Jahrzehntelang hatten sich westliche Staats- und Regierungschef den Launen und Machtspielen Gaddafis willfährig ausgeliefert, sich an ihn angebiedert - und trotzdem stand das Land isoliert da.

Die Beseitigung des libyschen Despoten war besonders für den britischen Premierminister David Cameron eine Genugtuung: Einerseits meinte er, man habe nun dem Drahtzieher des (nie aufgeklärten) Lockerbie-Attentats das Handwerk gelegt, andererseits treten die ersten Öllieferabkommen mit Großbritannien in Kraft. Was die Wirtschaftsbeziehungen zwischen USA, Westeuropa und dem neuen Libyen betrifft, könnten die Sterne also kaum besser stehen.

Wer aber wird in Zukunft die rivalisierenden Stämme einen und für eine gerechte Verteilung des Schwarzen Goldes sorgen? Kaum länger als 50 Jahre wird Libyen noch von seinem Ölreichtum profitieren. Ein viel ernsteres Problem ist aber die Wasserversorgung im Land. Daran wird sich zeigen, ob die westlichen Regierungen den Libyern so wohlgesinnt sein werden, wie sie es im Unabhängigkeitskampf offen zur Schau gestellt haben.