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Warum HC Strache auch frische Gesichter an der Spitze von SPÖ und ÖVP nicht sonderlich fürchten müsste.
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Für Optimisten, die aus welchen Gründen auch immer einer allfälligen Kanzlerschaft von HC Strache eher skeptisch gegenüberstehen, stellt die im Augenblick doch recht bresthafte Situation der SPÖ eine echte Chance dar, Strache doch noch irgendwie zu verhindern, auch wenn es derzeit angesichts der Umfragedaten eher unwahrscheinlich scheint.
Wie das funktionieren könnte, hat jüngst der Wiener Psychiater und Publizist Martin Engelberg in der "Presse" so skizziert: "Mit dem modernen, auch unternehmerisch erfahrenen ÖBB-Chef Christian Kern an der Spitze von SPÖ und Regierung käme auch die ÖVP unter Zugzwang. Will sie nicht plötzlich ganz alt aussehen, müsste sie ihren Vizekanzler Reinhold Mitterlehner durch das politische Talent Sebastian Kurz ersetzen. Kern und Kurz könnten dann relativ unbelastet eine umfangreiche Reformagenda präsentieren. Eine solche sollte beinhalten: dramatische Verschlankung der staatlichen Strukturen, Stopp der Flut an neuen Gesetzen und Verordnungen, deutliche Reduzierung der Steuer- und Abgabenlast, grundlegende Reform des Sozialstaates samt dem Pensionssystem und nicht zuletzt hohe Investitionen in und eine umfassende Umstrukturierung des Bildungssystems."
Keine Frage: Gelänge das, könnte jenes Ende der Zweiten Republik, über das im Kommentariat des Landes schon Einigkeit zu bestehen scheint, mit einiger Wahrscheinlichkeit abgewendet werden und damit auch ein Kanzler Strache. Und dass die Herren Kern und Kurz an der Spitze der Regierung eine merkbare Verbesserung gegenüber der bisherigen Konstellation darstellten, wird kaum jemand bestreiten.
Dass eine neue und auch wesentlich attraktivere personelle Aufstellung von SPÖ und ÖVP geeignet wäre, tatsächlich eine große Zahl jener drängenden Probleme zu lösen, die Schwarz und Rot seit Jahren höchstens verwaltet haben, daran allerdings bestehen leider erhebliche Zweifel. Denn dieser Stillstand entstand ja nicht primär deshalb, weil Kanzler und Vizekanzler nicht miteinander gekonnt hätten; er war im Grunde auch nur ganz am Rande den handelnden - und vor allem nicht handelnden - Personen geschuldet. Viel schwerer wog und wiegt, dass beide Regierungsparteien in vielen ganz zentralen Fragen einfach so unterschiedliche Standpunkte vertreten, dass der einzige denkbare Kompromiss ein kosmetisch verbrämtes Nichtstun ist und der Status quo zum einzigen gemeinsamen Nenner wird.
Das ist an sich in einer Demokratie nichts Ungewöhnliches, wird aber natürlich dann zum Problem, wenn diese beiden Parteien über Jahrzehnte in einer Art widernatürlicher Koalition verharren zu müssen meinen.
Dazu kommt, dass beide noch regierenden Parteien von einst ideologiegetriebenen politischen Plattformen heute zu Organisationen degeneriert sind, die vor allem die Partikularinteressen jener Klienten-Klüngel beschützen müssen, die ihre noch verbliebenen Kernschichten darstellen. Diese Blockade zu überwinden dürfte auch für den gewieftesten Strategen an der jeweiligen Parteispitze eine Mission impossible sein. Strache hat angesichts der sich andeutenden Konstellation nicht gerade Grund, den Champagner zu öffnen - wirklich große Sorgen muss er sich noch nicht machen.