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Was Konsumenten Ärger erspart

Von Sophia Freynschlag

Wirtschaft
Was muss ein Taucher beherrschen? Die internationale Tauch-Norm-Serie ISO 24801 bis 24803 für die Tauchausbildung und Tauchbasen kommt aus Österreich. Foto: bb

Nicht eine Behörde, sondern die Unternehmen selbst entwickeln Normen. | Normen für KMU "überlebenswichtig". | Wien. Normen werden nicht von oben herab befohlen, sondern werden von denen gemacht, die sie in der Praxis verwenden, betont Walter Barfuß, Präsident des Austrian Standards Institute. Von den rund 5880 österreichischen Experten, die in Komitees heimische Normen erarbeiten, kommen mehr als die Hälfte aus Unternehmen, davon ein Großteil aus Klein- und Mittelbetrieben.


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Auch Verbraucher sowie Experten aus der Verwaltung und Wissenschaft sind in den Komitees vertreten.

Für viele Klein- und Mittelbetriebe sind Normen sogar überlebenswichtig: "Hätte ich mich nicht für die Normung engagiert, so hätte es meine Firma die Existenz gekostet", sagt Martin Denison, Geschäftsführer des Tauchausbildners Scuba Schools mit zwei Mitarbeitern in Wien.

Ohne Norm wäre seine Tauchausbildung, die ursprünglich aus den USA kommt, in Österreich nicht anerkannt worden. Vor mehr als 15 Jahren wandte er sich daher an das Normungsinstitut (heute Austrian Standards Institute).

Mehr Bürokratie?

Als Vorsitzender des Expertenkomitees entwickelte Denison bis Ende der 90er Jahre eine österreichische EN-Norm, die bald für Europa übernommen wurde und in mehr als 30 Ländern gilt. Empfohlen werden Mindestanforderungen für die Taucher- und Tauchlehrerausbildung sowie für Tauchbasen. Es wird zum Beispiel eine Mindestanzahl an Tauchgängen für Taucher festgehalten, welche Lerninhalte ein Tauchlehrer beherrschen sollte und wie oft eine Tauchbasis ihre Ausrüstung warten muss.

Die Tauch-Norm wurde im Jahr 2007 zur ISO-Norm, die weltweit gilt. "In einigen Ländern wie Griechenland und Ägypten ist die Norm sogar verpflichtend, weil die Regierung ihr Gesetzescharakter zuerkannt hat", sagt Denison, der vor kurzem vom Austrian Standards Institute für seine beispielgebende Initiative ausgezeichnet wurde.

"Normen schaffen nicht mehr Bürokratie, sondern ersparen Firmen vorvertragliche Verhandlungen", sagt Johannes Stern, Pressesprecher des Austrian Standards Institute. Wenn im Vertrag "Lieferung nach Ö-Norm" angegeben ist, so müssten die Vertragspartner nicht jedes Detail einzeln auflisten.

Normen geben Unternehmen Sicherheit: Wer Normen einhält, weiß, dass sein Produkt oder seine Dienstleistung dem aktuellen Stand der Technik entspricht und damit marktfähig ist. Normen erleichtern außerdem Klein- und Mittelbetrieben den Marktzugang: Sie schaffen durch einheitliche Festlegungen faire Wettbewerbsbedingungen.

Gütesiegel für Callcenter

Nach bestimmten Normen - wie die Tauch-Norm - können sich Firmen auch lizensieren lassen. Hier sei ein "gewisses Maß an Bürokratie" nötig: Denn dazu muss eine genaue Dokumentation vorgelegt werden, dass die Norm erfüllt wird - Tauchbasen müssen etwa Rechnungen für Ersatzteile bei der Wartung präsentieren, auch Tauchschüler werden befragt.

Zu den 22.222 Normen in Österreich kommen pro Jahr rund 2000 neu hinzu, davon sind die Hälfte Überarbeitungen von bestehenden Normen. Um eine Norm zu entwickeln, braucht es rund zwei bis drei Jahre. Zu Beginn der Normung vor 90 Jahren wurden jährlich 40 bis 60 Normen fertiggestellt, die erste Norm vereinheitlichte metrische Gewinde. Auch heute entfällt der Großteil der Standardisierungen auf die Technik, vor allem im Bauwesen und im Maschinenbau.

In letzter Zeit werden Normen für Dienstleistungen - etwa Übersetzungsdienstleistungen, Sprachreisen oder Callcenter - wichtiger, sagt Stern: "Eine Norm ist hier eine Art Gütesiegel und klärt, was Kunden erwarten können, wenn sie eine Dienstleistung konsumieren." So können Verbraucher nicht nur nach dem Preis, sondern auch nach den Qualifikationen entscheiden - was ihnen Ärger im Nachhinein ersparen kann.

Nicht nur Konsumenten, auch die Wirtschaft profitiere von der Normung, wie internationale Studien belegen. Normen tragen rund 25 Prozent zum Wirtschaftswachstum bei. Jeder Euro, der in die Normung investiert wird, bringt der Studie zufolge den 40-fachen Nutzen.