Die Interpretation der Kinderkostenanalyse der Statistik Austria sollte differenziert erfolgen.
Gerade wurde vom Sozialministerium die Kinderkostenanalyse der Statistik Austria vorgelegt, laut der die mittleren Kosten für ein Kind in einem Haushalt mit zwei Erwachsenen durchschnittlich 494 Euro betragen. Bei nur einem Erwachsenen im Haushalt steigen die Kosten pro Kind auf 900 Euro. Die Studie zeigt auch, dass die monetären Transferleistungen des Staates in allen Fällen darunter liegen, besonders drastisch ist das bei Alleinerziehenden. Die Frage ist nun, was aus diesen Zahlen folgen sollte, ja folgen kann.
Dafür ist es nötig, die Zahlen selbst einzuordnen. Wie alle Studien kommt auch in jener der Statistik Austria eine bestimmte Methode zur Anwendung - das Barten-Gorman-Modell -, die einen Einfluss auf die Ergebnisse und damit auf die ermittelte Höhe der Kinderkosten hat. Wie ein jüngster Vergleich von Stefan Humer und Severin Rapp von der WU Wien zeigt, sind alle ökonomischen Methoden und Modelle für die Berechnung von Kinderkosten mit bestimmten Vor- und Nachteilen behaftet. Sie produzieren auch teils sehr unterschiedlich hohe Ergebnisse.
Die Schuldnerberatung etwa erstellt Referenzbudgets mittels Fokusgruppen. Das Referenzbudget für ein siebenjähriges Kind liegt hier für 2021 bei 700 Euro pro Monat. Das ist deutlich mehr, als die Statistik Austria ermittelt hat, die für Kinder unter 14 Jahren 395 Euro angibt. Auch der Vergleich zur Modellkostenschätzung des Wifo für das Sozialministerium von 2003 (mit den Daten der Konsumerhebung 1999/2000) zeigt: Die Bandbreite der ermittelbaren Kinderkosten ist offensichtlich groß. Die geschätzten Kosten für ein Kind in einem Haushalt mit zwei Erwachsenen lagen vor 20 Jahren schon bei 480 Euro, also nur 14 Euro unter dem jetzt ermittelten Wert der Statistik Austria - inflationsangepasst wären sie heute viel höher. Auch deutsche Zahlen für 2018 liegen deutlich darüber, mit durchschnittlichen Konsumausgaben von 679 Euro pro Monat für ein Kind unter 6 Jahren und 763 Euro für alle Altersgruppen.
Zu bedenken ist, dass ein wichtiger Kostenfaktor in fast allen Studien unberücksichtigt bleibt: der Einkommensverlust und der damit verbundene Pensionsverlust der Eltern, also in den meisten Fällen der Mutter, die oft über mehrere Jahre ihre Arbeitszeit für die Kinderbetreuung reduziert. Dieser Einkommensverlust, der die tatsächlichen Kinderkosten deutlich erhöht und auch nachwirkt, wenn die Kinder längst erwachsen sind, ist oft auch Folge fehlender oder günstiger Kinderbetreuungsmöglichkeiten, die an die Bedürfnisse berufstätiger Eltern angepasst sind. Das zeigt der Kinderbetreuungsatlas der Arbeiterkammer Jahr für Jahr.
Die nun vorliegende Studie der Statistik Austria ist ein erster großer Schritt. Sie ist methodisch gut abgesichert, musste sich aber, wie alle Studien, für einen bestimmten Zugang und eine bestimmte Datenbasis entscheiden. In der Diskussion um die politischen Folgerungen aus der Studie sollte dies berücksichtigt werden. Die bessere finanzielle Absicherung von Kindern, besonders in armutsgefährdeten Haushalten und Haushalten mit nur einem Erwachsenen, die nun von vielen Seiten gefordert wird, sollte also auf Basis mehrerer abgesicherter Studien erfolgen.