Zum Hauptinhalt springen

Was kümmern Europa Verletzungen?

Von Waldemar Hummer

Kommentare
Waldemar Hummer ist Universitätsprofessor für Europa- und Völkerrecht an der Universität Innsbruck. Foto: privat

Dass sich die EU um Fragen der öffentlichen Gesundheit und Prävention von Unfällen annimmt, ist interessant, wirft aber die Frage nach ihrer Zuständigkeit dafür auf. | Jedes Jahr sterben etwa 235.000 Unionsbürger aufgrund von Unfällen oder Gewalttaten. Verletzungen bilden nach Herz- und Gefäßerkrankungen sowie Krebs und Atemwegserkrankungen die vierthäufigste Todesursache. Bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen stellen Unfälle und Verletzungen sogar die Haupttodesursache dar.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 18 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Viele Überlebende schwerer Verletzungen leiden ein Leben lang unter den Folgen. Unfälle und Verletzungen sind die Hauptursache für chronische Behinderungen und führen zu einem weitgehend vermeidbaren Verlust an gesunden Lebensjahren.

Im Durchschnitt verursachen Verletzungen etwa 6,8 Millionen Krankenhauseinweisungen; das sind elf Prozent aller Krankenhauseinweisungen in der EU. Verletzungen stellen auch eine erhebliche Belastung für die Gesundheits- und Sozialsysteme dar, denn sie verursachen etwa ein Fünftel der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit und bilden einen der wichtigsten Faktoren für Produktivitätsverluste. Das Verletzungsrisiko ist dabei in den Mitgliedstaaten sowie in den sozialen Schichten ungleich verteilt. Im Mitgliedstaat mit der höchsten Verletzungsrate ist das Risiko, an einer Verletzung zu sterben, fünfmal so hoch wie in dem mit der niedrigsten Rate.

Risikominimierung

Verletzungen lassen sich aber vermeiden, indem sowohl unsere Umgebung als auch die von uns verwendeten Produkte und Dienstleistungen sicherer gestaltet werden. Es erscheint daher mehr als sinnvoll, ein System der Verletzungsüberwachung und -meldung zu entwickeln, das ein koordiniertes Vorgehen in allen Mitgliedstaaten sicherstellen soll. Die Frage ist nur, ob der Europäischen Gemeinschaft (EG) eine Rechtsgrundlage für den Aufbau eines solchen Systems zukommt.

Gemäß Artikel 152 EG-Vertrag verfügt die EG über eine Kompetenz zur Förderung der Gesundheit der Bevölkerung, der Verhütung von Humankrankheiten und der Beseitigung von Gefahren für die menschliche Gesundheit. Sie ist aber lediglich ergänzend und berührt daher die grundsätzliche Zuständigkeit der Mitgliedstaaten für die Organisation des Gesundheitswesens und die medizinische Versorgung nicht. Als so genannte Querschnittsmaterie durchdringt diese Förderpolitik im Bereich der Gesundheit alle sonstigen Politikbereiche der EG, in denen dementsprechend auch ein hohes Gesundheitsschutzniveau sicherzustellen ist.

Für die Prävention von Unfällen und Verletzungen in den Mitgliedstaaten legt die Kommission nunmehr im Rahmen des Aktionsprogramms der Gemeinschaft im Bereich der öffentlichen Gesundheit für die Jahre 2003 bis 2008 (ABl. 2002, L 271, S. 1 ff.) die wichtigsten Prioritäten für Maßnahmen zur Verletzungsprävention fest. Dabei sollen vor allem die sozialen Auswirkungen von Verletzungen in den Mitgliedstaaten berücksichtigt werden.

Empfehlung des Rates

Gemäß eines Vorschlags der Kommission für eine (unverbindliche) Empfehlung des Rates vom Juni 2006 handelt es sich dabei um folgende sieben Prioritäten: Sicherheit von Kindern und Jugendlichen, Sicherheit älterer Mitbürger, Sicherheit von Straßenverkehrsteilnehmern, Prävention von Sportverletzungen, Prävention von Verletzungen durch Produkte und Dienstleistungen, Prävention von Selbstbeschädigung und Prävention zwischenmenschlicher Gewalt. Im Mittelpunkt des vorgeschlagenen Systems steht die Errichtung eines gemeinschaftsweiten Systems zur Überwachung von Unfällen und Verletzungen und eines Mechanismus für den Informationsaustausch über vorbildliche Verfahren (best practice-Austausch) zur wirksamen Prävention derselben.