| Grüne kritisieren Klimaschutzgesetz als zahnlos, Wirtschaft warnt vor Rückgang der Produktion.
| Österreich ist frei? Bis 2020 soll kein Atomstrom mehr in Bilanz aufscheinen.
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Wien. Umweltminister Josef Pröll macht Ernst mit den Klimasündern. Am Mittwoch wurde das von ihm bereits im Vorfeld des Klimagipfels im April angekündigte Bundesklimaschutz gesetz in Begutachtung geschickt.
Der erste Absatz klingt seltsam? Kein Wunder, stammt er doch aus einer Meldung der Austria Presseagentur vom Mittwoch, den 11. Juni 2008. Fast auf den Tag genau drei Jahre später, nämlich am gestrigen Mittwoch, hat der Ministerrat selbiges Klimaschutzgesetz durchgewunken. Denn immerhin hat sich die Regierung in ihrer Klausur auf dem Semmering mehr Tempo verordnet - um diese neue Aktivität zu demonstrieren, habe man eben das Pröllsche Klimaschutzgesetz aus der Schublade geholt, meinte ein Beobachter dazu.
Trotz der langen Reifungsdauer sind die konkreten Ergebnisse allerdings dürftig. Der Gesetzestext ist gerade einmal drei Seiten lang. Darin ist unter anderem ein Klimaschutzkomitee unter dem Vorsitz des Umweltministeriums vorgesehen, das von Vertretern der anderen Ministerien und der Länder beschickt wird. Bis spätestens März 2012 soll nun dieses Komitee einen Vorschlag machen, wie die nötigen CO2-Einsparungen unter den einzelnen Ressorts aufgeteilt werden sollen.
Keine Sanktionen, keine konkreten Maßnahmen
Die von der Europäischen Union beschlossene Klimaschutzstrategie sieht vor, die Emissionen bis 2020 um 20 Prozent zu senken. Sanktionen, sollte dies nicht eingehalten werden können, oder auch konkrete Maßnahmen sind im Klimaschutzgesetz aber nicht eingeplant. Grund genug für die Grünen, den Entwurf als "zahnlos" zu kritisieren.
Gleichzeitig findet sich in dem Papier eine Tabelle, welche die vorgesehenen Reduktionen für die Kyoto-Periode von 2008 bis 2012 festschreibt. Und das wiederum sorgt in der Wirtschaft für Ärger. Bereits im Vorfeld des Ministerratsbeschlusses hatte Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl vor einer "Entindustrialisierung Österreichs" gewarnt - die "Wiener Zeitung" berichtete.
Diese Warnung wiederholte die Kammer am Mittwoch eindringlich. Das im Gesetz festgeschriebene Reduktionsziel von mehr als 40 Prozent bis 2012 sei für die Wirtschaft nicht machbar, hieß es. Würde man jetzt - ohne Übergangsfrist - die Emissionen auf 60 Prozent zurückfahren, bedeute dies auch einen Rückgang der Produktion auf 60 Prozent, erklärte ein Vertreter der WKO.
Außerdem beruhe das Zahlengerüst auf der "überholten Klimastrategie 2002" - so habe etwa der Gebäudesektor sein Ziel schon längst erreicht, müsse also in den kommenden eineinhalb Jahren gar nichts mehr einsparen, die Wirtschaft aber werde über Gebühr belastet und müsse eventuell sogar die Produktion ins Ausland verlagern, hieß es seitens der Kammer.
Länder bis 2013 ohne finanzielle Pflichten
Die Länder, in deren Kompetenzbereich zum Beispiel die Gebäudesanierung und die Wohnbauförderung fällt, haben im vergangenen Jahr mit Nikolaus Berlakovich bereits ausverhandelt, dass sie keine finanziellen Konsequenzen bei Nichterreichen des Kyotoziels bis 2012 tragen müssen.
Ab 2013 könnte es aber sehr wohl auch die Länder treffen, meint der Umweltminister zur "Wiener Zeitung" (siehe Interview links). Bis zum kommenden Jahr ist jedenfalls das Finanzministerium für die Kompensationszahlungen zuständig, die sich aus dem Nichterreichen von Kyoto ergeben - diese liegen bei etwa 200 Millionen Euro jährlich. Ab 2013 sollen dem Vernehmen nach die einzelnen Ministerien aus ihren Budgets Kompensationszahlungen leisten.
Das dürfte mit ein Grund dafür gewesen sein, warum vor dem Ministerrat am Mittwoch noch heftig diskutiert wurde. Und zwar zwischen Berlakovich und Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner, der im - höchstwahrscheinlichen - Fall, dass die Klimaschutzziele nicht eingehalten werden, die finanzielle Hauptlast tragen muss. Denn dass die Ziele Österreichs von jeher zu ambitioniert waren, ist ein offenes Geheimnis.
Ökostromgesetz dafür relativ ambitioniert
So ging es denn, wie zu erfahren war, in der Vorbereitungssitzung des Ministerrats hoch her - das Ergebnis war dann, dass neben dem Klimaschutzgesetz auch Mitterlehners Ökostromgesetz die Regierungssitzung passiert hat. Dieses ist weit weniger zahnlos als das Klimaschutzgesetz, wurde aber nichtsdestoweniger von Wirtschaft und Industrie kritisiert. Durch den Ausbau von Ökostrom soll Österreich bis 2020 keinen Atomstrom mehr importieren müssen. Das jährliche Fördervolumen für neue Ökostromanlagen wurde von 21 Millionen Euro auf 40 Millionen Euro angehoben. Der Haken an dem Gesetz: Da aufgrund der unsicheren Förderungslandschaft in den vergangenen Jahren so gut wie keine neuen Ökostromanlagen dazu gebaut worden sind, befinden sich nun zig Projekte in der Pipeline. Doch diese kommen nur nach und nach zum Zug, denn das Volumen für den Neuausbau ist weiterhin gedeckelt (wenn auch nun mit der doppelten Summe). So bekommen etwa Windkraftanlagen derzeit 9,7 Cent pro Kilowattstunde. Sollte die Anlage aber später gereiht sein und erst 2014 gebaut werden, bekommen sie nur noch 9,4 Cent.
Und das, obwohl man davon ausgeht, dass herkömmlicher Strom langfristig teurer wird.
Aus der Koalition kam einhelliges Lob für das Ökostromgesetz: Bundeskanzler Werner Faymann sprach von einem wichtigen "Baustein", Vizekanzler Michael Spindelegger sah gar einen "unglaublichen Meilenstein". Auch FPÖ, Grüne und BZÖ sahen Fortschritte im Gesetzesentwurf, sie wollen aber noch Nachbesserungen, bevor sie grünes Licht geben. Da es sich dabei um eine Verfassungsmaterie handelt, braucht die Koalition eine Zweidrittel-Mehrheit im Parlament und daher die Stimmen von mindestens einer Oppositionspartei.
Während auch von der E-Wirtschaft Lob für den Entwurf kam, reagierten die Umweltorganisationen zurückhaltend.