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"Was leider fehlt, ist ein Konzept"

Von Walter Hämmerle

Politik

Interview mit Afrika-Experten Paul-Simon Handy. | "Mit Aufflackern der Kämpfe musste man rechnen." | Ohne genügend Helikopter ganze Mission bedroht. | "Wiener Zeitung": Kritiker der Eufor-Mission für den Tschad bemängeln die geringe Zahl von Soldaten: Die geplanten 4000 Soldaten würden zahlenmäßig nicht ausreichen, um den Schutz der Flüchtlingslager im Osten des Landes zu gewährleisten.


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Paul-Simon Handy: Diese Kritik teile ich nicht. Viel wichtiger als die bloße Zahl von Soldaten ist deren Ausstattung. Vor allem den Luftkapazitäten kommt entscheidende Bedeutung zu, da ohne Helikopter die weit auseinander liegenden Flüchtlingslager kaum wirkungsvoll vor Rebellen geschützt werden können.

Offensichtlich haben die sich an der Mission beteiligenden Mitgliedstaaten der EU jedoch große Probleme, die notwendige Anzahl an Helikoptern zur Verfügung zu stellen. Der Start der Mission wird aus diesem Grund ständig nach hinten verschoben.

Eine unzureichende Ausstattung mit Luftraumkapazitäten würde in der Tat die gesamte Mission gefährden, ohne genügend Helikopter macht der Einsatz keinen Sinn. Das war ja auch einer der Gründe, weshalb die UNO die EU und nicht die Afrikanische Union mit dem Einsatz betraut hat: Eben weil Europa über die technisch hochwertige Ausrüstung verfügt.

Wie groß schätzen Sie das Risiko ein, dass die europäischen Soldaten in Kämpfe zwischen Regierungstruppen und Rebellen hineingezogen werden?

Damit rechne ich eigentlich nicht, aber man muss sicherlich abwarten, wie sich die Situation in der Region weiter entwickelt. Man musste zwar damit rechnen, dass die Kämpfe zwischen Regierung und Rebellen vor Beginn der Mission wieder aufflackern werden - aber dass sie so heftig ausfallen, damit habe ich ehrlich gesagt nicht gerechnet. Auf direkte Angriffe gegen die Eufor-Truppe haben die Rebellen meiner Einschätzung nach jedoch keine Lust, sie wären auch klar unterlegen, wenngleich einzelne Opfer auf Eufor-Seite immer möglich sind. Darüber hinaus wissen auch die führenden Rebellengruppen sehr genau, dass sie mit der EU-Truppe kooperieren müssen, wenn sie langfristig auf einen tatsächlichen Machtwechsel im Tschad hinarbeiten wollen.

Frankreich stellt rund ein Drittel der Eufor-Truppe, die sich zu strikter Neutralität gegenüber sämtlichen Konfliktparteien vor Ort verpflichtet hat. Gleichzeitig ist Frankreich jedoch ein wesentlicher Stützpfeiler des Regimes von Staatspräsident Idriss Déby. Rebellengruppen drohen, die europäischen Soldaten - egal ob Franzosen oder Österreicher - als Feinde zu betrachten. Gefährdet die Parteinahme Frankreichs im innertschadischen Konflikt die Neutralität der Eufor-Mission?

Das könnte tatsächlich zu einem ernsten Problem werden. Frankreich ist im Tschad sicher kein neutraler Akteur: Es gibt zahlreiche bilaterale Unterstützungsabkommen, die französische Armee hilft sogar bei der Ausbildung der tschadischen Regierungstruppen. Von daher ist es ein "normaler" Vorgang, dass ein befreundeter Staat einem Land hilft, das von Rebellen angegriffen wird. Das Problem ist: Frankreich unterstützt im Tschad ein Regime, dessen Legitimität alles andere als einwandfrei ist. Präsident Déby hat alles getan, um jeden demokratischen Fortschritt zu verhindern.

Es liegt deshalb vor allem an den anderen europäischen Staaten, Druck auf Frankreich auszuüben, dass die Mission nicht gefährdet wird. Ich glaube, dass Frankreich dieses Problem durchaus bewusst ist und deshalb mit offenen Karten spielt, weil auch Paris an einem Erfolg interessiert ist. Das fällt umso leichter, als Präsident Sarkozy sich längst nicht so sehr an Déby gebunden fühlt wie noch sein Vorgänger Chirac.

Sorgen bereitet Kritikern der Mission auch die angeblich fehlende Exit-Strategie, sollte die Situation eskalieren.

Die Situation ist zweifellos ernst, wenn auch nicht dramatisch. Daher rechne ich eigentlich nicht mit einer völligen Eskalation. Meine Kritik an der Eufor-Mission richtet sich vor allem gegen das zugrunde liegende UNO-Mandat. Dieses hat nur die Situation in der angrenzenden sudanesischen Bürgerkriegsregion Darfur im Blick und ignoriert völlig die internen politischen Probleme des Tschad. Diese sind jedoch ein wesentlicher Teil des Problems, das die Eufor-Mission lösen helfen soll. Es fehlt leider ein politisches Konzept für die Stabilisierung des Tschad und der gesamten Region. Das halte ich für ein gravierendes Defizit.

Was konkret sollte die EU im Tschad tun?

Theoretisch hätten die EU und insbesondere Frankreich großen Einfluss, sie müssten gleichermaßen Druck auf die Regierung von Déby und die Rebellen ausüben. Ohne parallele politische Verhandlungen wird die Eufor-Mission nur die Symptome, nicht jedoch die tieferen Ursachen des Konflikts bekämpfen. Selbst ein Erfolg hätte dann nur symbolischen Wert.

Das Grundübel ist, dass auch die Rebellen über kein politisches Konzept für eine bessere Zukunft des Tschad verfügen. Ihr einziges Ziel ist, Déby von der Macht zu vertreiben. Frankreich hätte mit einem neuen Regime, sofern es eine Besserung der Situation verspricht, wohl kaum Probleme, immerhin hat Paris schon in der Vergangenheit sämtliche Putschs in der Hauptstadt mitorganisiert. Frankreich war hier stets sehr pragmatisch. Derzeit ist jedoch keine Alternative zu Déby in Sicht, die Führer der Rebellen sind entweder ehemalige Weggefährten des Präsidenten oder Ex-Generäle.

Rebellenführer im Tschad haben über den Umweg österreichischer Medien mit Verteidigungsminister Darabos kommuniziert und Österreich vor einer Beteiligung gewarnt. Hat Sie die PR-Professionalität dieser Gruppen überrascht?Eigentlich nicht, das ist lediglich der Beweis, dass wir in einer global vernetzten Welt leben. Die Rebellen wissen ganz genau um die Skepsis und die Ängste der österreichischen Bevölkerung - und sie versuchen, aus dieser Kapital zu schlagen. Auch in Darfur finden sich Internetcafés, weil man dort sehr genau weiß, dass die eigene Lage ein großes Thema auf der ganzen Welt ist. Auf dieser Welle versuchen nun eben auch die tschadischen Rebellen zu segeln. Das ist aus deren Sicht eine kluge Taktik und verstärkt wohl leider die Ängste der Bevölkerung.

Dr. Paul-Simon Handy ist Wissenschafter am "Institute for Security Studies" in Pretoria, Südafrika. Sein Fachgebiet sind afrikanische Krisenregionen. Er studierte in Kamerun und Leipzig. www.issafrica.orgWissen: Der Tschad-Einsatz

Österreich wird sich mit 160 Soldaten an der humanitären EU-Mission im Tschad beteiligen. Ein Jagdkommando bildet den Kern des österreichischen Kontingents.

SPÖ und ÖVP tragen die Entscheidung von Verteidigungsminister Norbert Darabos zur Beteiligung des Bundesheeres geschlossen mit. Die Mission sei mit der Neutralität Österreichs aufgrund des zugrunde liegenden UNO-Mandats voll vereinbar. Beide Regierungsparteien betonen den humanitären Charakter des Einsatzes zum Schutz der Flüchtlingslager vor Rebellenangriffen.

Heftige Kritik kommt dagegen vonseiten der Opposition: Grüne, FPÖ wie BZÖ lehnen den Einsatz - wenngleich aus unterschiedlichen Gründen - ab. Beide freiheitlichen Parteien behaupten eine Gefährdung der völkerrechtlichen Neutralität. Die Grünen sehen die Soldaten unzureichend ausgerüstet und befürchten, durch Frankreich in die Kämpfe zwischen Regierung und Rebellen hineingezogen zu werden.

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