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Was leistet Türkis-Grün?

Von Walter Hämmerle

Leitartikel
© Luiza Puiu

Die Koalition zeigt Lösungswillen bei ihrer Klausur. Das Urteil der Umfragen findet sie ungerecht.


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Es ist ja nicht so, dass ausschließlich die Regierten mit ihren Regierenden unzufrieden sind; auch die Regierenden sind überzeugt, von den Kritikern - allen voran von den Medien - ungerecht beurteilt zu werden. Und selten war dieses Gefühl stärker als bei Türkis-Grün, deren Vertrauenswerte im Rekordtief verharren. Auch bei der Präsentation der Ergebnisse der Klausur in Mauerbach schwang dieses Gefühl immer wieder mit.

Nun sollte sich grundsätzlich von der Politik fernhalten, wer primär nach Dank und Wertschätzung strebt. Trotzdem muss es ein Ziel sein, Politik wie Politiker halbwegs fair und nach dem Maßstab ihrer Arbeit zu bewerten. Die Wut auf "die da oben" generell oder der Hass auf "die andere Seite" allein sind eher keine erstrebenswerte Handlungsanleitung für Wahlen, obwohl der Trend unverkennbar in diese Richtung weist.

Es ist gar nicht so unwahrscheinlich, dass das Urteil über die türkis-grüne Koalition unter Kanzler Karl Nehammer im Rückblick nicht ganz so unerbittlich ausfallen wird, wie es die Demoskopen derzeit ermitteln. Die Kriegsfolgen bei Energie und Teuerung werden erheblich - und mit erheblichem Steuergeldeinsatz - abgefedert (über Treffsicherheit lässt sich stets streiten), die De-Fossilisierung der Energieproduktion wird vorangetrieben (einigen zu schnell, vielen zu langsam), der Einstieg in die Ökologisierung des Steuersystems wird geschafft (behutsam, aber doch), und an die zumindest teilweise Abschaffung der kalten Progression hat schon keiner mehr geglaubt.

Aus ihrer Klausur kommen ÖVP und Grüne mit weiteren Mosaiksteinen einer politischen Leistungsbilanz. Allerdings zeigt sich auch, wie sehr sich die beiden Regierungsparteien selbst im Weg stehen. Der Gesetzesvorschlag zu beschleunigten Verfahren bei Umweltverträglichkeitsprüfungen für Kraftwerken liegt bereits seit Sommer 2022 im Parlament, doch eine schnelle Einigung scheitert an internen Widerständen in der Koalition. Jetzt wird der vorhandene Entwurf doch weitegehend unverändert beschlossen . . .

Auch beim Lückenschluss für Politiker im Korruptionsstrafrecht, der am Donnerstag öffentlich präsentiert werden soll, wäre eine Lösung mit ein bisschen mehr gutem Willen wohl schneller möglich gewesen. Die Änderung beim drängenden Thema Pensionen - das langsame Auslaufen der geblockten Altersteilzeit - ist ein Mini-Schritt; mehr wäre auch angesichts des Arbeitskräftemangels möglich und nötig.

Es wird sich zeigen, ob die schlechten Umfragewerte dazu führen, dass die Koalition ihre Gegensätze überwindet, einzementiert oder neue errichtet.