Zum Hauptinhalt springen

Was macht eine Religion aus?

Von Wolfgang Zaunbauer

Politik
Sie folgen dem Spaghettimonster - wie im Bild russische Pastafaris mit dem für die Satire-Religion typischen Nudelsieb auf dem Kopf -, doch genügt das, um als Religionsgemeinschaft durchzugehen?
© corbis

Die Pastafaris verehren ein fliegendes Spaghettimonster. Nun will sich die Satire-Kirche als Bekenntnisgemeinschaft eintragen lassen. Die Chancen dafür sind allerdings nicht sehr groß.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 10 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Wien. Die ÖVP und katholische Verbände laufen Sturm. Die Pastafaris - eine Satire-Religion, in der ein fliegendes Spaghettimonster verehrt wird - haben beim Kultusamt die Eintragung als religiöse Bekenntnisgemeinschaft beantragt. Klerikale reagieren fassungslos: Neos-Mandatar Niko Alm und seine Pastafaris würden Religionen "ins Lächerliche ziehen", von "Respektlosigkeit und spöttischem Zynismus" und einer Verhöhnung des Staates war die Rede, andere Weltanschauungen würden "mit Füßen getreten".

Dass sich Katholiken durch den Pastafarismus verhöhnt fühlen, ist verständlich, schließlich ist der Glaube an das fliegende Spaghettimonster genau darauf aus. 2005 wurde er vom US-Amerikaner Bobby Handerson als Reaktion darauf gegründet, dass an manchen Schulen in Kansas nicht mehr nur die Evolutionstheorie, sondern auch der Kreationismus unterrichtet werden sollte. Wenn das geschehe, müsse auch seine Glaubenslehre vom fliegenden Spaghettimonster unterrichtet werden, schrieb er damals an die Schulbehörden von Kansas.

Im Pastafarismus wurde die Welt von eben diesem fliegenden Spaghettimonster erschaffen. Um die Menschen zu verwirren, hat dieses aber auch die Idee der Evolution verbreitet. Piraten werden als die ursprünglichen Pastafaris verehrt. Weil ihre Bestände aber massiv zurückgegangen sind, kommt es zu Naturkatastrophen und globaler Erwärmung. Nach dem Tod erwarten den Pastafari im Himmel ein Biervulkan und eine Stripperinnen-Fabrik.

Laut eigenen Angaben gibt es weltweit mehr als 10 Millionen Pastafaris - im Vergleich: Das Judentum kommt weltweit auf geschätzte 13 bis 15 Millionen Gläubige. In Österreich bekennen sich laut ihrem Anführer, dem "Obersten Maccherone" Philip Sager, 450 Personen zum fliegenden Spaghettimonster. Das sind deutlich mehr als die erforderlichen 300, die es für eine Registrierung als Bekenntnisgemeinschaft braucht. Trotzdem stehen die Chancen auf Anerkennung nicht besonders gut.

Umfasst eine religiöse Gemeinschaft mehr als zwei Promille der Bevölkerung, also rund 17.000 Mitglieder, kann sie sich als Kirche oder Religionsgesellschaft anerkennen lassen und kommt damit in den Genuss bestimmter Rechte, etwa entsprechenden Religionsunterricht an öffentlichen Schulen (siehe Wissenskasten). Das betrifft derzeit 14 Gruppen. Weil es aber auch eine Reihe von Gruppen gibt, die viel zu klein sind, um die Anerkennung beantragen zu können - etwa weil eine bestimmte Volksgruppe, die überwiegend diesem Glauben anhängt, nur in sehr kleiner Zahl in Österreich lebt -, gibt es seit 1998 die Möglichkeit der eingetragenen religiösen Bekenntnisgemeinschaft.

Endlich nicht mehr"ohne Bekenntnis"

Als solche hat man nicht die Privilegien - im Kultusamt spricht man lieber von Rechtsfolgen - einer anerkannten Kirche. Doch man hat eine eigene Rechtsstellung und steht rechtlich nicht mehr auf einer Stufe mit einem Blumen- oder Bienenzüchterverein. Als religiöse Bekenntnisgemeinschaft kann man zudem den Antrag auf Anerkennung als Kirche stellen.

Einer der wichtigsten Aspekte der Eintragung ist aber der, dass man als Mitglied einer eingetragenen Bekenntnisgemeinschaft im staatsrechtlichen Sinn nicht mehr "ohne Bekenntnis" ist. Es war für viele Gläubige oft schmerzhaft, wenn etwa im Zeugnis "o. B." stand.

Der Staat hat durchaus auch selbst ein Interesse daran, dass die Glaubensgemeinschaften verwaltet sind - und er einen konkreten Ansprechpartner hat.

Die Pastafaris haben nun also auch den Antrag auf Eintragung als Bekenntnisgemeinschaft gestellt. Dieser wird geprüft wie jeder andere, heißt es aus dem Kultusamt, das seit neuestem nicht mehr im Bildungsministerium, sondern im Bundeskanzleramt angesiedelt ist.

Zur Anerkennung als Bekenntnisgemeinschaft müssen die Statuten eingereicht und mindestens 300 Mitglieder genannt werden. Die Statuten haben etwa die Religionslehre zu beinhalten, die sich von anderen Religionen unterscheiden muss - was bei den Pastafaris nicht schwer sein dürfte.

Wenn alle formellen Kriterien erfüllt sind, folgt eine inhaltliche Prüfung. Dazu will man sich im Kultusamt gegenüber der "Wiener Zeitung" allerdings nicht äußern, um nicht den Anschein einer vorweggenommenen Entscheidung zu erwecken. Laut dem Leiter des Instituts für Religionsrecht an der Uni Wien, Richard Potz, hat der Antrag der Pastafaris aber nicht "den Funken einer Chance", wie er der "Presse" sagte. Einer religionswissenschaftlichen Prüfung würde der Spaghettimonsterismus nämlich nicht standhalten.

Die schwierige Frage, was eine Religion überhaupt ausmacht

Ganz so einfach ist das freilich nicht. Denn die Frage, was eine Religion ausmacht, "ist in der Religionswissenschaft notorisch nicht gelöst", sagt Hans Hödl vom Institut für Religionswissenschaft an der Uni Wien zur "Wiener Zeitung". Nimmt man einen rein funktionalistischen Religionsbegriff her, wonach Religion bestimmte Funktionen erfüllt - etwa dazu dient, über Transzendenzbezug negative Erfahrungen zu verarbeiten -, könnte Pastafarismus sogar eine Religion sein.

"Religion ist dazu da, dem Leben einen Sinn zu geben und die Sinnerwartungen der Menschen zu erfüllen", sagt Hödl. Was die Menschen brauchen, um ein für sie sinnvolles Leben zu führen, ist höchst unterschiedlich. "Es gibt Menschen, für die reicht dazu Familie, Kunst oder auch Fußball", sagt Hödl. "Daher ist auch eine Aussage wie ‚Rapid ist eine Religion‘ für einen Religionswissenschafter ernst zu nehmen - für einen Theologen hingegen nicht."

Das Problem beim funktionalistischen Religionsmodell ist aus Hödls Sicht aber die fehlende Trennschärfe: "Andere kulturelle Institutionen erfüllen dieselbe Funktion auch", wie das Fußball-Beispiel zeigt. Hödl selbst vertritt eher das "Dimensionsmodell", wonach Religion aus mehreren Dimensionen - einer rituellen, emotionalen, narrativ-mythischen, doktrinal-philosophischen, ethisch-rechtlichen, sozial-institutionellen und materiellen Dimension - besteht. Umgemünzt auf die Pastafaris gelte es also zu fragen: "Gib es einen Ritus, religiöse Erfahrungen, eine Form religiöser Vergemeinschaftung, Kultorte und -gegenstände? Wenn man die Minimaldefinition von Edward Burnett Tylor anlegt, ,Religion ist Glaube an geistige Wesen‘, dann ist der Pastafarismus eine Religion, denn es wird ja behauptet, dass die Anhänger an das fliegende Spaghettimonster glauben."

"Sie wollen keine Religion sein, sondern Kritik üben"

Letztlich gehe es darum, ob man den Begriff Religion enger oder weiter fasst. Bei der Frage der Anerkennung oder Eintragung wird der Begriff eher eng gefasst. Das Religionsgesetz setzt einen Transzendenzbezug voraus, bestimmte Rituale und Glaubensüberzeugungen. All das behauptet der Pastafarismus von sich - allerdings nicht aus Überzeugung, sondern aus Spaß, "aus polemischem Interesse", wie Hödl sagt. "Sie wollen gar keine Religion sein, sondern Kritik an einer bestimmten Religion üben."

Hier sieht Hödl auch einen gewichtigen Unterschied zwischen den Pastafaris und etwa der Atheistischen Religionsgesellschaft. Zwar wollen beide die rechtlichen Möglichkeiten ausnutzen, allerdings mit einer anderen Zielsetzung. Während die Atheisten rechtliche Gleichberechtigung als Weltanschauungsgemeinschaft neben den anerkannten Religionen anstreben, "wollen die Pastafaris das System stürzen und ad absurdum führen".

Wissen: Kirchen und Bekenntnisgemeinschaften

In Österreich wird unterschieden zwischen gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften und eingetragenen Bekenntnisgemeinschaften. Ersteres bringt bestimmte Rechtsfolgen: öffentliche Religionsausübung, Ausschließlichkeitsrecht (Namensschutz, Anspruch auf exklusive religiöse Betreuung der eigenen Mitglieder), selbständige Ordnung und Verwaltung der inneren Angelegenheiten, Schutz der Anstalten, Stiftungen und Fonds gegenüber Säkularisation, Recht auf Errichtung konfessioneller Privatschulen und Erteilung des Religionsunterrichts an öffentlichen Schulen. Sie genießen zudem einen erhöhten Schutz, wobei zum Beispiel die Herabwürdigung religiöser Lehren als strafbar gilt.

Gesetzlich anerkannt sind: die Katholische Kirche (römisch-, griechisch- und armenisch-katholisch); die Evangelische Kirche (AB und HB); die Altkatholische Kirche (seit 1874); Orientalisch-orthodoxe Kirchen (armenisch-, koptisch- und syrisch-orthodox); die Griechisch-orientalische Kirche (griechisch-, serbisch-, rumänisch-, russisch- und bulgarisch-orthodox); die Evangelisch-methodistische Kirche (seit 1951); die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage (Mormonen, seit 1955); Neuapostolische Kirche (seit 1975). Weiters zählen dazu: die Israelitische Kultusgemeinde (seit 1890), die Islamische Glaubensgemeinschaft (seit 1912), die Islamisch Alevitische Glaubensgemeinschaft (seit 2013), die Österreichische Buddhistische Religionsgesellschaft (seit 1983), die Zeugen Jehovas (seit 2009) und die Freikirchen in Österreich (Baptisten, Evangelikale, Pfingstgemeinde, Mennoniten, seit 2013). Die Herrnhuter Brüdergemeinde verlor ihre 1880 ausgesprochene Anerkennung 2012, weil sie kaum Mitglieder und keine Kultusgemeinde hat.

Zu den eingetragenen religiösen Bekenntnisgemeinschaften zählen die Alt-alevitische Glaubensgemeinschaft (seit 2013), die Bahai-Religionsgemeinschaft (seit 1998), die Christengemeinschaft (seit 1998), die Hinduistische Religionsgesellschaft (seit 1998), die Islamisch-Schiitische Glaubensgemeinschaft (seit 2013), die Kirche der Siebenten-Tags-Adventisten (seit 1998) und die Pfingstkirche Gemeinde Gottes in Österreich (seit 2001).