Die Pädagogischen Hochschulen sind noch eine "Baustelle". | Die Schulen leiden an ihrer mangelnden Personalhoheit.
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Wien. "Wer soll Lehrer werden?" Auf die Titelfrage einer Diskussion am Montagnachmittag in Wien antwortete Bildungsministerin Claudia Schmied: "Menschen mit Güte, Humor und Poesie." Es komme auf das Menschenbild, die innere Orientierung und die Motivation an, auf die innere Berufung und innere Leidenschaft. Ihr Ziel sei, Image und Stellung der Lehrer innerhalb der Gesellschaft zu heben, aber auch die Lehrer selbst müssten an ihrem Selbstbild arbeiten.
Bei der vom Pädagogischen Institut des Bundes (PIB) veranstalteten "pib lecture" in der Bank Austria (die "Wiener Zeitung" war Medienpartner) zitierte der moderierende PIB-Direktor Gerhard Schmid aus Goethes "Wilhelm Meister": "Es ist nichts schrecklicher als ein Lehrer, der nicht mehr weiß als die Schüler allenfalls wissen sollen; wer andere lehren will, kann wohl oft das Beste verschweigen, was er weiß, aber er darf nicht halb wissend sein."
Ministerin Schmied betonte, der Lehrberuf sei einer der verantwortungsvollsten in der Gesellschaft. Sie sei auf der Suche nach Menschen mit Leidenschaft, die sich jenseits parteipolitischer Reflexe für die Jugend einsetzen wollen.
Kultur in die Schule
Man müsse über reine Schulpolitik hinausdenken, Bildungspolitik sei auch Gesellschafts- und Wirtschaftspolitik. Als ihr wichtige Anliegen nannte Schmied Stichworte: Ganztägige Schulformen, Vorschuljahr, egal, ob in der Schule oder im Kindergarten, und Integration. Eine wesentliche Frage sei: "Wie gehen wir mit Vielfalt um?"
Schmied will Bildung mit Kreativität und Innovation verbinden und Kultur im Schulalltag verankern, zum Beispiel durch Theaterprojekte, die bei der sozialen Positionierung von Außenseitern helfen sollen. Es gehe um Stärkung des Selbstbewusstseins, "damit gelingt auch das Mathematik Lernen besser."
Schmied betonte, sie lasse sich auch vom jüngsten Beschluss der ÖVP gegen eine Gesamtschule nicht beirren, Dinge, von denen sie überzeugt sei, weiter zu verfolgen. 2008/2009 werde es erste Modelle einer Neuen Mittelschule geben.
Die Kunstvermittlerin und Lehrerfortbildnerin Mikki Muhr warnte davor, die Thematik Lehrer zu "individualisieren", es müsste das institutionelle Umfeld betrachtet werden. Je nachdem, wie das gestaltet sei, würde sie die Frage, wer Lehrer werden solle, mit "Niemand" oder "Alle, die wollen" beantworten. "Die Situation ist verbesserungswürdig", befand Muhr.
Ilse Schrittesser, Professorin für Bildungswissenschaft an der Uni Wien, nannte einige Kriterien für gute Lehrer: überdurchschnittliche Intelligenz, hohe physische und psychische Belastbarkeit und Empfinden für Leistung. Es sollte für diesen Beruf, der erlernbar sei, ein entsprechendes Auswahlverfahren geben - im Interesse der Schüler, aber auch der Lehrer selbst, die sonst womöglich Jahrzehnte unglücklich mit ihrer Arbeit seien.
Keine Gleichmacherei
Auf das von der Ministerin gelobte Bildungsprogramm der Industriellenvereinigung (IV) "Schule 2020" verwies IV-Bildungsexperte Gerhard Riemer. Als Lehrer sollte man die Besten engagieren und eine professionelle Personalenwicklung betreiben, damit Lehrer auch ein hohes Ansehen bekommen.
In eine ähnliche Kerbe schlug in der folgenden Diskussion eine Schuldirektorin: Die Gleichmacherei mache den Beruf nicht attraktiv, man müsse gute Lehrer belohnen können. Sie würde gerne etliche hochprofessionelle junge Kollegen anstellen, nach dem geltenden Dienstrecht müsse sie aber mit anderen arbeiten.
Die alte Forderung, dass die Schulen mehr Personalhoheit bekommen sollten, sei nie umgesetzt worden, kritisierte Ilse Schrittesser. Ministerin Schmied nannte das System der schulfesten Stellen (Schutz älterer Lehrer vor Versetzung) "anachronistisch".
Ein Maturant, der den Lehrberuf ansteuern will, nannte als wesentliches Kriterium für einen Lehrer die Fähigkeit, Schüler so zu motivieren, dass sie etwas lernen und es sich auch merken wollen. Er beklagte, dass über die neuen Pädagogischen Hochschulen (PH) zu wenig bekannt sei.
Ministerin Schmied gab zu, dass die PH noch "eine Baustelle" seien, auf der aber jetzt kräftig an der Ausarbeitung der Curricula und Lehrpläne gearbeitet werde. Sie will für Lehrer Ausbildung und Weiterbildung "modulartig" weiter entwickeln, auch Anreize im Gehaltssystem schaffen und persönliche Verantwortung und Zivilcourage fördern.