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Was macht Kurz für Trump interessant?

Von Walter Hämmerle

Politik

Am Montag empfängt der US-Präsident Österreichs Kanzler - bereits zum zweiten Mal binnen eines Jahres. Eine Analyse.


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Wer eine Einladung an die 1600 Pennsylvania Avenue, Washington D.C., in Händen hält, ist ganz oben angekommen. Hier residiert der mächtigste Mann der Welt, der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika. Entsprechend begehrt ist ein Shakehands im Oval Office. Und entsprechend selten ergibt sich die Gelegenheit für gewöhnliche Spitzenpolitiker. Glücklich ist, wer es wenigstens einmal ins Weiße Haus schafft.

Öfters ist natürlich nicht ausgeschlossen, aber eben nicht die Norm - und wenn, kommen diese Politiker eher nicht aus kleinen Ländern auf komplizierten Kontinenten, die maximal über eine große Vergangenheit und eine meist eher langweilige Gegenwart verfügen. Politiker und Politikerinnen aus solchen Staaten haben schlicht zu wenig Hard und meistens auch zu geringe Soft Power, auf dass sie im dichten Terminkalender eines US-Präsidenten entsprechend gewürdigt würden. Zeit und Aufmerksamkeit sind immer noch die härteste Währung im harten Geschäft der internationalen Beziehungen.

Das führt direkt zur Frage, warum Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz an diesem Montag bereits zum zweiten Mal binnen nur eines Jahres auf einen kurzen Plausch bei Donald Trump, dem leidenschaftlichen Golfer aus New York mit ordentlichem Wohnsitz an 1600 Pennsylvania Avenue, vorbeischaut. Was macht Kurz also für den mächtigsten Mann der Welt so interessant?

Die Antwort darauf ist etwas kompliziert. Zunächst einmal treffen sich Politiker persönlich, weil sie es entweder müssen oder wollen. Das Müssen spielt bei Trump und Kurz keine Rolle; zwischen den USA, dem nach wie vor wirtschaftlich und militärisch mächtigsten Land der Erde, und dem knapp 9-Millionen-Staat im europäischen Irgendwo gibt es keine drängenden Themen, deren Lösung ein "Tête-à-tête" der beiden Regierungschefs verlangt.

Wenn Trump Kurz nicht treffen muss, muss er ihn treffen wollen. Aber warum? Und warum gleich zwei Mal so kurz aufeinander?

Dank für willige Gefolgschaft ist es eher nicht. Einig sind sich die beiden allenfalls in ihrer generellen Skepsis gegenüber ungeregelter Migration und ihrer beinahe bedingungslosen Unterstützung für Israel. Doch bei fast allen transatlantischen Streitthemen stehen Trump und Kurz auf entgegengesetzten Seiten: In Handelsfragen plädiert Österreich für ein multilaterales Regime, während Trump bilaterale Abkommen bevorzugt; die Erdgas-Pipeline Nord Stream 2, mit der russisches Gas über Umgehung der Balten, via Deutschland nach Europa gelangt, ist Washington ein geostrategischer Dorn im Auge - Österreich unterstützt das Projekt nicht nur, es ist via OMV sogar mit dabei.

Differenzen als Nebensache

Als neutraler Staat außerhalb der Nato setzt Österreich traditionell auf Abrüstung und sinkende Rüstungsausgaben, während sämtliche US-Regierungen der vergangenen zwei Jahrzehnte mehr oder weniger lautstark auf höhere Verteidigungsausgaben der Nato-Partner drängen, und Trump fordert dies besonders drängend. Gegenpositionen vertreten Washington und Wien weiters beim Klimaschutz und in der Frage des Umgangs mit dem Iran: In beiden Fällen hat Trump multilaterale Abkommen - hier das Pariser Klimaschutzabkommen, dort das in Wien ausverhandelte Atomabkommen mit Teheran - einseitig aufgekündigt, während Kurz ebenso energisch für deren Einhaltung plädiert. Was ja auch nur logisch ist: Kleinere Staaten sind auf eine konsensorientierte multilaterale Abstimmung ausgerichtet, eine Supermacht kann alleine dagegen mehr für sich herausschlagen - kurzfristig jedenfalls.

Wenn es also auch nicht Gefolgschaft und gemeinsame Standpunkte sind, welches Interesse hat der US-Präsident dann am Kanzler?

Auf einer strategischen Ebene sind die USA nach dem EU-Austritt ihres engsten Verbündeten Großbritannien auf der Suche nach einem neuen konstruktiven Kanal in die Europäische Union hinein. Die ehemaligen kommunistischen Staaten in Osteuropa wie Polen, Tschechien und Balten stehen zwar fest hinter den USA, was Trump aber fehlt, ist ein Draht in den Westen, der zugleich über ein gutes Netzwerk im Osten verfügt. Nachdem Trump mit der deutschen Kanzlerin Angela Merkel überhaupt nicht kann und mit Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron nicht mehr, Italien im ständigen Chaos versinkt und Spanien auf Kleinstaat macht, sieht sich plötzlich Österreichs Kanzler als Anwärter für diese Rolle.

Dazu gehört, dass die Art von Kurz beim Instinkt- und Bauchmenschen Trump offensichtlich gut ankommt. Dazu dürfte wohl auch ein, laut österreichischen Beobachtern in den USA, höchst belastbares Verhältnis des Kanzlers zu Trumps Schwiegersohn Jared Kushner wesentlich beitragen, der zum allerengsten Beraterkreis des US-Präsidenten zählt.

Was schließlich auch eine Rolle spielt: Kurz verzichtet darauf, billige politische Punkte für das eigene Publikum auf Kosten Trumps zu sammeln. Obwohl Kritik am US-Präsidenten - und je härter desto besser - Zustimmung und Schlagzeilen sichern. Deutlich hat sich das etwa bei der Präsentation des US-Friedensplans für den Nahen Osten gezeigt. Der Entwurf stammt aus der Feder Jared Kushners und wurde international gnadenlos als chancenlos und einseitig pro-israelisch verrissen. Eine der wenigen Stimmen, die dafür plädierten, dem Plan wenigstens eine Chance zu geben, stammte aus Österreich, von Außenminister Alexander Schallenberg und Kanzler Kurz.

Dabei ist das eigentlich eine diplomatische Floskel pur, eine Standardformulierung ohne konkrete Aussage, die niemandem schwerfallen sollte. Doch wenn es um Trump geht, ändern sich auch die Gepflogenheiten der Diplomatie, wozu der US-Präsident durchaus seinen üppigen Beitrag leistet. Dass Kurz diesem Anti-Trump-Reflex widersteht, das wird im Weißen Haus eben aufmerksam registriert.